Hannover, 09.04.2021 | Open Source Software ist in der Softwarewelt omnipräsent und hat große wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Prominente Beispiele hierfür sind das Betriebssystem Linux oder das Datenbankverwaltungssystem MySQL. Beide Open Source Projekten haben einen wirtschaftlicher Wert in Milliardenhöhe. Vielfach dient Open Source Software als Unterbau für kommerzielle proprietäre Softwareprojekte. Das wirtschaftliche Betätigungsfeld für Open Source Software ist umfangreich und divers. Vom Kaffeevollautomaten über Bürosoftware bis hin zu autonomem Fahren, überall ist Open Source Software im Einsatz. Die fortschreitende Digitalisierung verschafft dem Open Source Segment weiter Auftrieb, es handelt sich um einen Wachstumsmarkt.

 

Open Source Software

Steffen Töhte, Rechtsreferendar, Hannover

Auf der Gegenseite gibt es aber auch Projekte, die Open Source Software aus altruistischen oder explizit nicht-kommerziellen Motiven entwickeln und sich ausschließlich über Spenden finanzieren. Als aktuelles (steuerfinanziertes) Beispiel dient die Corona-Warn-App, welche von SAP und der Deutschen Telekom entwickelt wurde.

Die Kategorie “Open Source”

Bei Open Source Software handelt es sich, anders als es der Wortlaut vielleicht vermuten ließe, nicht um eine besondere Softwareart. Der Begriff beschreibt vielmehr eine spezielle Form der Lizenzierung von Software. Zwar gibt es keine allgemeingültige oder gar gesetzgeberische Definition, was Open Source Software ist, dennoch gelten bestimmte Merkmale der Lizenzierung als prägend.

So ist allen Open Source Softwares gemein, dass die Lizenznehmer sie im Grundsatz kostenlos nutzen und frei verbreiten dürfen. Zudem wird der Quellcode der Software offen übermittelt (daher: open source), sodass jeder Lizenznehmer die Software bearbeiten, weiterentwickeln und auch seine Bearbeitung weiterverbreiten kann. Auch wenn der Lizenzgeber den Lizenznehmern weitreichende Nutzungsrechte einräumt, bleibt die Nutzung an bestimmte Bedingungen geknüpft. Die Lizenzierung als Open Source Software bedeutet gerade keinen Verzicht auf urheberrechtlichen Schutz. Dies unterscheidet Open Source Software von gemeinfreier Software, an der tatsächlich keine Urheberrechte oder andere Immaterialgüterrechte bestehen.

So unterschiedlich die Anwendungsfelder für Open Source Software sind, so verschieden und vielfältig sind auch die Lizenzbedingungen dazu. Es existiert eine unüberschaubare Anzahl an verschiedenen Lizenzen, und dennoch lassen sie sich systematisch in zwei Kategorien unterteilen.

Trotz der wirtschaftlichen und technischen Bedeutung von Open Source Software findet das Thema verhältnismäßig wenig Beachtung in der öffentlichen Diskussion. Dies soll Anlass dazu sein, mit diesem Beitrag einen systemischen Überblick zu schaffen.


Die Idee hinter Open Source Software

Hinter dem Begriff Open Source Software steht die Idee von freier Software. Demnach sollen Softwareanwender die Software selbst an in ihre eigenen Bedürfnisse anpassen können und ihre Weiterentwicklungen verbreiten dürfen. Dieses Verständnis von Software entsprang einst als Reaktion und Gegenbewegung zur sonst üblichen proprietären Nutzung von Software. Anstatt wie üblich die Zustimmung des Rechtsinhabers für eine Änderung der Software einholen zu müssen, soll bei freier Software die Bearbeitung des Quellcodes im Grundsatz völlig frei von Beschränkungen sein. So wird der Anwender der Software zum Mitentwickler. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine große Anzahl an Entwicklern und Anwendern führt zu einer beschleunigten Entwicklung der Software, Fehler können schneller gefunden und korrigiert werden. Davon profitieren sowohl Entwickler als auch Anwender, eine klassische Win-win-Situation.

Um diese Idee in der praktischen Anwendung umzusetzen, sind im Grunde nur zwei Voraussetzungen erforderlich: Erstens muss der Entwickler und Rechtsinhaber den Quellcode zur Verfügung stellen und zweitens seine Zustimmung für die Bearbeitung und Verbreitung der Software erteilen.

Regelmäßig ist darüber hinaus die Überlassung der Open Source Software selbst kostenlos – entgegen einem weit verbreiteten Irrtum ist dies aber nicht zwingend. Open Source Software ist nicht anti-kommerziell, ihr liegt nur ein freieres, weil von finanziellen Interessen losgelöstes, Eigentumsverständnis zugrunde. Nach der Idee von Open Source Software ist Eigentum unabhängig von seinem wirtschaftlichen Wert zu denken. Die Präambel zur General Public License 3.0 (eine der meistgenutzten Open Source Lizenzen weltweit) macht dieses Verständnis deutlich. Dort heißt es: „Our General Public Licenses are designed to make sure that you have the freedom to distribute copies of free software (and charge for them if you wish) […]”.

Als Antagonist zu proprietärer Software steht Open Source Software somit für digitale Souveränität.


Arten von Open Source Software

So unübersichtlich das Feld der unterschiedlichen Open Source Lizenzen auch ist, im Grundsatz kann zwischen zwei Arten der Lizenzierung unterschieden werden. Es gibt Lizenzen mit Copyleft und ohne Copyleft, letztere nennen sich Non-Copyleft Lizenzen.

Das Copyleft Schema

Ein Copyleft ist eine Schutzklausel in den Lizenzbedingungen, die den Lizenznehmer dazu zwingt, jede Weiterverbreitung der Software selbst – oder einer Bearbeitung hiervon – auch unter eben diese Lizenzbedingung zu stellen. Die ursprüngliche Lizenz wird also bei jeder Verbreitung weitergegeben, sog. viraler Effekt. Dadurch kann der Lizenzgeber sicherstellen, dass seine Software und alle davon abgeleiteten Werke unter der gleichen Open Source Lizenz stehen. Das Copyleft ist folglich als Schutzinstrument des Lizenzgebers zu verstehen. Er kann mit dieser Klausel verhindern, dass das von ihm geschaffene Werk seinen Open Source Charakter verliert.

Das Copyleft schützt aber nicht nur die Software im Ganzen, sondern bereits deren einzelne Bestandteile. Sobald Quellcode einer durch Copyleft geschützten Open Source Software genutzt wird, erstreckt sich das Copyleft auf die gesamte (neue) Software. Dieser Geltungsanspruch ist bei der Softwareentwicklung unbedingt zu beachten. Verschiedene Copyleft-Lizenzen schließen sich beispielsweise gegenseitig aus, wenn keine Klausel zur Kompatibilität existiert.

Non-Copyleft-Lizenzen gewähren dem Lizenznehmer deutlich mehr Freiheiten. Er kann die Software und sämtliche Ableitungen von ihr unter einer beliebigen Lizenz weiterverbreiten. Sogar die proprietäre Lizenzierung ist möglich. Auf diese Weise kann der Lizenznehmer den Open Source Charakter einer Software aufheben. Häufig sind es kleinere Anwendungen, die unter Non-Copyleft-Lizenzen stehen. Bei der Entwicklung größerer Softwareprojekte, wie z.B. einer Smartphone App, können diese Anwendungen dann problemlos eingebunden werden. Der Lizenznehmer kann auf funktionierende Systeme zurückgreifen und muss seine Software nicht von Grund auf neu entwickeln. In der Regel muss der Lizenznehmer von Non-Copyleft-Lizenzen lediglich Copyright- und Urheberhinweise mit in den neuen Quellcode aufnehmen. Entsprechende Lizenzbedingungen sind daher ungleich kürzer als solche mit Copyleft-Klausel.

 

Die Wahl der Lizenz

Die Unterscheidung zwischen Copyleft- und Non-Copyleft-Lizenzen ist für den Softwareentwickler in seiner Rolle als Lizenzgeber der zentrale Faktor bei der Wahl der Lizenz. Die Frage der Lizenzwahl stellt sich nur dann nicht, wenn für die Entwicklung der eigenen Software bereits fremder Quellcode genutzt wurde, der unter einem Copyleft steht. Dann muss der Lizenzgeber auch die neue selbst entwickelte Software unter diese Copyleft-Lizenz stellen. Hier zeigt sich der virale Effekt des Copylefts.

Für alle anderen Fälle spielen folgende Überlegungen eine wichtige Rolle: Je freier der Lizenznehmer in der Bearbeitung und Weiterverbreitung ist, desto attraktiver ist die Software für ihn. Non-Copyleft-Lizenzen erhöhen demnach den potenziellen Kreis der Lizenznehmer. Allerdings muss sich der Rechtsinhaber darüber im Klaren sein, dass er die Kontrolle über seine Software aus der Hand gibt. Lizenznehmer einer Non-Copyleft-Lizenz können seine Software weiterentwickeln und anschließend selbst proprietär vertreiben. Soll dies verhindert werden, bleibt nur die Möglichkeit eine Copyleft-Klausel mit in die Lizenz aufzunehmen.

Bei der Lizenzierung sind aber auch rein praktische Erwägungen anzustellen. Es gibt nun einmal altbewährte Lizenzen, die vielen Lizenznehmern wohl bekannt sind und mit denen sie sich auszukennen glauben. Ein Lizenznehmer greift eher auf Open Source Software zurück, deren Lizenz etabliert ist. Eine unbekannte Lizenz könnte zumindest einige Lizenznehmer davon abhalten, die Software weiterzuverbreiten. Ein Softwareentwickler sollte dies berücksichtigen. Das ist auch der Grund dafür, warum in der Regel von der Erstellung einer eigenen Open Source Lizenz abgesehen werden sollte, denn im Allgemeinen gilt: Der Open Source Effekt ist umso größer, je bekannter die Lizenz.

Die Lizenzwahl bestimmt sich ferner maßgeblich nach der Frage, ob und wie die Open Source Software kommerzialisiert, das heißt wirtschaftlich fruchtbar gemacht werden soll.

Kommerzialisierung

Die meisten Open Source Lizenzen erlauben es, für den Akt der Überlassung der Software ein Entgelt zu verlangen. Das mag kontraintuitiv klingen, widerspricht der Idee von freier Software aber keineswegs. Freie Software oder Open Source Software sind keine Gegenbegriffe zu kommerzieller Software, sondern zu proprietärer Software. Open Source Software und proprietäre Software unterscheiden sich dabei allein durch den Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte.

Ein Entgelt für die Überlassung der Software selbst (z.B. ein Kaufpreis) beschränkt den Nutzungsumfang aber gerade nicht, weil der Überlassungsakt der Software der Nutzung vorgeschaltet ist. Gleichzeitig handelt es sich bei dem Kaufpreis auch nicht um eine Bedingung für die rechtmäßige Ausübung der Nutzungsrechte. Beides ist getrennt voneinander zu betrachten. Dass bedeutet, der Käufer und Lizenznehmer der kommerziellen Open Source Software darf sie unbegrenzt und kostenlos vervielfältigen und verbreiten. Das gleiche Recht hat aber auch jeder andere Nutzer dieser Software, unabhängig davon, ob er ein Entgelt für die Überlassung an den Verkäufer gezahlt hat. Das ist der Grund, weshalb Lizenzgeber in der Praxis oftmals auf ein Entgelt für die Überlassung der Software verzichten. Es gibt für Nutzer schlichtweg keine Notwendigkeit ein Entgelt zu zahlen, wenn sie die Software auch kostenlos von Dritten erhalten können. Wird trotzdem ein Entgelt gefordert, sind damit in der Regel Zusatzleistungen des Verkäufers verbunden, die einen Mehrwert gegenüber kostenlosen Alternativen bieten, z.B. Installationsanleitungen oder Handbücher. Das Entgelt kann aber auch eine Bedingung für spätere Supportleistungen sein.

Darin zeigt sich der Unterschied zu unzulässigen Lizenzgebühren. Darunter ist eine Gegenleistung für die Einräumung von Nutzungsrechten zu verstehen. Lizenzgebühren sind deshalb unzulässig, weil jede Nutzungshandlung der Software eine entgeltliche Gegenleistung bedingen würde. Im obigen Beispiel müsste der Käufer für jede Vervielfältigung eine Gebühr an den Lizenzgeber entrichten. Dadurch würde der Open Source Gedanke ad absurdum geführt.

Auch wenn ein Entgelt für die Überlassung der Software möglich ist, wird Open Source Software in vielen Bereichen auf andere Art und Weise kommerzialisiert. Ein klassisches Geschäftsmodell ist zum Beispiel der (entgeltliche) Support und die Wartung für Open Source Software. Da der Quellcode frei zugänglich und einsehbar ist, können entsprechende Dienstleistungen auch von Dritten für jedes beliebige Open Source Produkt angeboten werden. Außerdem wird Open Source Software häufig in der Unternehmensberatung eingesetzt, und die Beratungsleistung als solche vergütet. Allgemein lässt sich sagen, die Kommerzialisierung von Open Source Software findet vielfach auf der Ebene des Dienstleistungsmarktes statt.


Fazit

Open Source Software bietet sehr viele Möglichkeiten, gerade auch für Unternehmen. Zwar gewähren Lizenzgeber weitreichende Befugnisse, grenzenlos ist die Nutzung aber keineswegs. Wenn Softwareentwickler Open Source Software verwenden, sollten sich genau über die Rechte und Pflichten der Lizenz vertraut machen. Insbesondere sollten sie streng darauf achten, ob sie Bestandteile von Copyleft geschützter Software verwenden, weil dadurch die eigene Lizenzierung vorgegeben ist. Bei der Wahl der Lizenzierung eigener Software geht es in erster Linie darum, ob eine Copyleft-Klausel enthalten sein soll oder nicht.

Die Verwendung von Open Source Software bietet echte Vorteile gegenüber herkömmlicher proprietärer Software. Lizenznehmer genießen deutlich mehr Freiheiten und sind weniger abhängig von ihren Lizenzgebern. Das spricht dafür, dass Open Source Software auch zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen wird.

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