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Hannover, 09.11.2022 | Immer mehr deutsche Unternehmen setzen vor dem Hintergrund einer mobilen und internationalen Arbeitswelt Mitarbeiter rund um den Globus ein. Sie entsenden eigene Mitarbeiter in das jeweilige Land oder setzen, vermittelt über externe Dienstleister im Ausland, deren Mitarbeiter vor Ort ein.

Der Einsatz über einen externen Dienstleister kann allerdings unter Umständen zu Arbeitgeberhaftungen des in Deutschland ansässigen Unternehmens führen, obwohl kein Beschäftigungsverhältnis gewollt ist.

Dies ist insbesondere möglich bei Verstößen des externen Dienstleisters gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), Entsendegesetz (AEntG), Mindestlohngesetz (MiLoG) oder auch das Werkvertragsrecht. 

Internationale Arbeitnehmerüberlassung

Stephanie Reese, Rechtsanwältin in Hannover

 

Erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung

Der internationale Einsatz von Mitarbeitern über einen externen Dienstleister kann eine nach dem AÜG erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung oder eine andere, den gewerberechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des AÜG nicht unterliegende Form von drittbezogenem Personaleinsatz sein.

 

Grundlegendes zur Leiharbeit 

Bei dem Modell der Leiharbeit überlässt der Verleiher (Dienstleister) seine Arbeitnehmer im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit an den Entleiher (Unternehmen). Das Arbeitsverhältnis besteht zwischen dem Mitarbeiter und dem Dienstleister, wobei aber der Mitarbeiter in das weisungsbefugte Unternehmen betrieblich eingebunden ist. Das Unternehmen bestimmt also die wesentlichen Ausgestaltungen des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit.

Leiharbeit stellt eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG dar und verlangt unter anderem die Gleichstellung der Leiharbeiter mit der Stammbelegschaft des Entleihers, so auch eine gleiche Vergütung nach dem equal pay Grundsatz.

Der Dienstleister darf seine Geschäftstätigkeit nur aufgrund einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ausüben. Hat er diese nicht, ist das Leiharbeitsverhältnis unwirksam und das Anstellungsverhältnis wird unmittelbar zwischen dem Mitarbeiter und dem Unternehmen fingiert. Das Unternehmen haftet in einem solchen Fall für Vergütung, Steuern und Sozialabgaben des Mitarbeiters.

 

Anwendung des AÜG beim Einsatz von Mitarbeitern im Ausland?

Die Vorschriften des AÜG können grundsätzlich nicht dadurch umgangen werden, dass bezüglich der einzelnen Arbeitsverträge zwischen Dienstleister und Mitarbeiter das jeweils nach arbeitsrechtlichen Vorschriften geltende Recht vereinbart wird.

Zwar können die Parteien grundsätzlich das anwendbare Recht frei wählen. Dies ist allerdings dann nicht zulässig, wenn dies dazu führen würde, dass der durch zwingende Bestimmungen des eigentlich geltenden Rechts gewährte Schutz entzogen oder ausgehöhlt wird. Zu diesen Vorschriften gehören alle Bestimmungen, die nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden können und die geeignet und bestimmt sind, der einen Vertragspartei Schutz gegen die andere zu gewähren.

Die Anwendung deutschen Rechts richtet sich nach dem Territorialprinzip und bezieht sich auf das deutsche Bundesgebiet. Die Voraussetzung für die Anwendung des AÜG ist daher ein grenzüberschreitender Bezug zu Deutschland, indem der Dienstleister mit Sitz im Ausland Leiharbeitnehmer für ein Unternehmen mit Sitz und Tätigkeit in Deutschland überlässt oder umgekehrt.

Sofern aber ein ausländischer Dienstleister einem deutschen Unternehmen Arbeitnehmer für den Einsatz im Ausland überlässt, fehlt dieser Inlandsbezug. In diesem Fall sind die Arbeitnehmerschutzrechte des Tätigkeitsstaates bzw. des Staates anwendbar, in dem der Dienstleister seinen Sitz hat. Damit findet deutsches Recht keine Anwendung, auch kein zwingendes deutsches Recht und die vertraglichen Klauseln zum anwendbaren Recht sind zulässig.

 

Haftung des deutschen Unternehmens

Sofern man davon ausgeht, dass die Arbeit des Mitarbeiters nicht in Deutschland geleistet wird und damit das deutsche Unternehmen weder formeller, noch fiktiver Arbeitgeber ist, trifft das deutsche Unternehmen keine Haftung für Vergütung, Steuern auf die Vergütung und Sozialabgaben. Sollte eine Einordnung der Tätigkeit wegen einer erforderlichen, aber fehlenden Erlaubnis des Dienstleisters zur Arbeitsüberlassung hingegen als Anstellungsverhältnis in Deutschland angesehen werden, gelten die im Folgenden dargestellten Haftungsverhältnisse.

 

Steuern

Die Besteuerung ausländischer Arbeitnehmer erfolgt durch den Staat, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Ausländische Arbeitnehmer des Dienstleisters unterliegen mit ihrem Einkommen in dem jeweiligen Land des Arbeitseinsatzes der dortigen Besteuerung. Die Einzelheiten bestimmen sich nach dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen, soweit ein solches im Einzelfall vorliegt.

Unabhängig von der Haftung des Dienstleisters haftet das Unternehmen jedenfalls neben dem Dienstleister gemäß § 42 d Abs. 6 EStG für die Lohnsteuer. Diese Vorschrift findet auch bei anderer Rechtswahl Anwendung, denn sie bezweckt, die Steuerschuld gegen den Arbeitnehmer zu sichern.

Hiernach beschränkt sich die Haftung für die Lohnsteuer auf die Zeit, für die dem Unternehmen der Mitarbeiter überlassen worden ist. Soweit die Haftung des Entleihers reicht, sind der Verleiher als Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Entleiher Gesamtschuldner, wobei Letzterer nur auf Zahlung in Anspruch genommen werden darf, soweit die Vollstreckung in das inländische bewegliche Vermögen des Arbeitgebers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht.

 

Sozialversicherung

Die Sozialversicherungspflicht von Arbeitnehmern knüpft in der Regel am Arbeitsort an (sog. Territorialitätsprinzip). Die Einzelheiten bestimmen sich nach dem jeweils einschlägigen Sozialversicherungsabkommen.

Für Staatsangehörige der EU gilt die EG-Verordnung Nr. 883/2004. Nach Art. 12 der Verordnung unterliegt der Arbeitnehmer den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, die in dem Land gelten, in dem er seine Beschäftigung gewöhnlich ausübt.

Selbst wenn das Unternehmen als Entleiher zu den beschäftigten Mitarbeitern in keiner vertraglichen Beziehung steht, haftet es unter Umständen gemäß § 28 e Abs. 2 SGB IV für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge aus dem zwischen Dienstleister und dem angestellten Mitarbeiter bestehenden Arbeitsverhältnis.

Diese Vorschrift findet auch bei anderer Rechtswahl Anwendung, denn sie bezweckt, die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu sichern.

Gemäß § 28 e Abs. 2 SGB IV kann der Entleiher ebenfalls haftbar gemacht und in Anspruch genommen werden, wobei er wie ein Bürge haftet. Die Mithaftung erstreckt sich sowohl auf die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberbeiträge und besteht für den jeweiligen Überlassungszeitraum des Mitarbeiters.

Der Entleiher sollte prüfen, ob er sich zumindest teilweise gegen die gegen ihn gerichteten Beitragsforderungen wehren kann. So wäre zu schauen, ob die Ansprüche bereits verjährt sind, ob die Leiharbeitnehmer tatsächlich in der maßgeblichen Zeit im Betrieb des Entleihers eingesetzt waren und ob der Beitragsberechnung das zutreffende Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wurde.

Daher sollte der Entleiher die Rechnungen des Verleihers und auch die Zeiterfassungslisten über die gesetzlichen Fristen hinaus aufbewahren. Diese werden benötigt, um zu prüfen, ob die jeweiligen Zeitarbeitnehmer in der fraglichen Zeit tatsächlich bei dem Entleiher tätig waren.

Darüber hinaus sollte der Entleiher sich regelmäßig und/oder auf entsprechende Anfrage Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Einzugsstellen und der Berufsgenossenschaften vorlegen lassen. Eine entsprechende Vorlagepflicht des Verleihers sollte vertraglich vereinbart werden. Zwar ergibt sich aus den Bescheinigungen lediglich, dass der Verleiher die für die gemeldeten Leiharbeitnehmer entsprechend der angezeigten Entgelte anfallenden Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat, nicht aber, dass die Berechnung der Entgelte korrekt ist und dass die Beiträge auch zukünftig abgeführt werden. Der Entleiher kann sich allerdings durch die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigungen eine gewisse Sicherheit verschaffen.

 

Gesetzlicher Mindestlohn

Die deutsche Vorschrift zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns ist unabdingbar, sodass auch die Vereinbarung über anderes Recht die Verpflichtung zu dieser Zahlung nicht ausschließen.

Entsprechend § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG haftet das Unternehmen für die Verpflichtung – soweit eine solche im jeweiligen Einsatzland des Mitarbeiters besteht – des Dienstleisters zur Zahlung des Mindestentgelts an den Arbeitnehmer.

Das geänderte AEntG setzt die reformierte Entsenderichtlinie (EU) 2018/957 um. Diese reagiert auf Lohnunterschiede im europäischen Arbeitsmarkt und soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer, die unter das Gesetz fallen, künftig den gleichen Arbeitsbedingungen unterworfen werden wie lokale Arbeitnehmer.

Damit gilt im europäischen Ausland derselbe wie mit § 14 AEntG i.V.m. § 13 MiLoG gewährleistete Standard. Kommt der Dienstleister der Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns nicht nach, haftet das Unternehmen im Wege der Durchgriffshaftung also auch nach diesen Vorschriften bei Einsatz eines Mitarbeiters im EU-Ausland.

Dasselbe gilt bei Einsatz des Mitarbeiters in einem Land mit entsprechender Regelung.

 

Schadensersatz

Sollte der Dienstleister den genannten Pflichten nicht nachkommen, so könnte das Unternehmen unter Umständen gegenüber dem Dienstleister Schadensersatz geltend machen.

 

Scheinselbstständigkeit 

Ist der eingesetzte Mitarbeiter von dem Dienstleister auf Grundlage eines Werkvertrages tätig, besteht das grundsätzliche Risiko einer Scheinselbstständigkeit.

Ist der Mitarbeiter nämlich wirtschaftlich abhängig von dem Vertragspartner, liegt ein Scheinwerkvertrag vor mit der Konsequenz einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung.

Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitsverhältnis mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten direkt zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gilt. Der Entleiher wird zum Arbeitgeber mit allen aus der Arbeitgebereigenschaft resultierenden Rechten und Pflichten.

 

Fazit

Unternehmen sollten sich bei Einordnung der Tätigkeit als Anstellungsverhältnis in Deutschland und damit Anwendbarkeit des AÜG der Möglichkeit der obigen Haftungsdurchgriffe bewusst sein und sich von dem Dienstleister alle Zahlungen belegen lassen.

Zur Begrenzung des Haftungsrisikos kann der Entleiher neben den oben genannten Möglichkeiten einen Teil der dem Verleiher für die Überlassung der Leiharbeitnehmer geschuldeten Vergütung zurückbehalten, um damit etwaige Haftungsansprüche wegen der Forderungen der Einzugsstellen begleichen zu können. Der Einbehalt der Vergütung wäre zwischen Ent- und Verleiher zu vereinbaren.

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