HP COMPACT  | im Juni 2011  |
Marc-André Delp, M.L.E., Rechtsanwalt in Hannover|

 

Der internationale Handel hat sein Bedürfnis nach einer Standardisierung von Vertragsbedingungen gedeckt und einheitliche Standardklauseln entwickelt – die Incoterms (International rules for the interpretation of trade terms). Sie sind  von der ICC, der  Internationalen Handelskammer in Paris herausgegeben. Die Regelungen der INCOTERMS sind weltweit akzeptiert und stellen einfache und übersichtliche Regelungen für die Lieferung und den Transport von Waren bereit. Diese seit Jahrzehnten gebräuchlichen und bewährten Standardklauseln werden regelmäßig aktualisiert, zum Januar 2011 liegen nun die INCOTERMS 2010 vor. Diese lösen die INCOTERMS 2000 ab, die weiterhin verwendet werden können.

 

Die INCOTERMS als Vertragsbestandteil

Die INCOTERMS gelten nicht automatisch, sondern die Vertragsparteien müssen sie ausdrücklich wie Allgemeine Geschäftsbedingungen oder sinngemäß, z.B. durch Verwendung des Kürzels, in ihren Liefervertrag einbeziehen. Zur Klarstellung sollten die Parteien stets ausdrücklich bestimmen, auf welche Fassung der INCOTERMS sie sich beziehen; ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Gegenseite auf eine frühere, für sie vielleicht günstigere Fassung der INCOTERMS beruft. Zu beachten ist auch, dass die ICC die INCOTERMS im Original nur in englischer Sprache herausgibt und diese die für eine etwaige Vertragsauslegung maßgebliche Fassung ist.

Mit der Verwendung der INCOTERMS erreichen die Vertragsparteien eine einheitliche und formelhafte Bestimmung der vereinbarten Pflichten, unabhängig von den jeweiligen nationalen oder branchenbezogenen Regeln. Bei ordnungsgemäßer Anwendung ersparen die INCOTERMS weitere zusätzliche Regelungen im Vertrag.

 

Regelungsumfang der INCOTERMS

Die INCOTERMS enthalten einheitliche Regelungen zu den wesentlichen Pflichten von Verkäufer und Käufer für die wichtigsten im internationalen Handel gebräuchlichen Lieferverträge:

  • Lieferung
  • Abnahme
  • Zahlung des Kaufpreises
  • Lizenzen
  • Kostentragung
  • Gefahrübergang
  • Liefernachweis
  • Transportdokumente
  • Prüfung und Verpackung der Ware
  • Beförderungs- und Versicherungsvertrag

Allerdings umfassen die INCOTERMS nicht alle Bestimmungen eines Kaufvertrages: Regelungen zum Zustandekommen des Vertrages, Eigentumsübergang, Gewährleistung und Zahlungsabwicklung müssen die Vertragsparteien gegebenenfalls zusätzlich vereinbaren.

Die Klauseln legen nicht alle Einzelheiten fest, da wegen branchenspezifischer und regionaler Unterschiede die Pflichten erheblich voneinander abweichen können. Es ist nicht möglich, die Verpflichtungen der Parteien bis in die letzten Ein­zelheiten festzulegen, da die Klauseln notwen­digerweise für verschiedene Handelszweige und Regionen geeignet sein müssen. Daher muss sich der Vertrag auf die Praxis in einem bestimmten Handelszweig oder auf einen bestimmten Ort beziehen. Die Praxis der Vertragsabwicklung kann sich auch aus der früheren Handelsbezie­hung der Parteien ergeben. Es ist also zu empfehlen, dass sich Verkäufer und Käufer für ihre Vertragsverhandlungen über solche Handelsbräuche entsprechend informiert halten. Bei Unklarheiten ist zu einer ausdrücklichen Regelung zu raten. Diese Individualvereinbarungen der Parteien gehen den Regeln der INCOTERMS -Klauseln vor.

Die Vereinbarung der INCOTERMS entfalten lediglich rechtliche Wirkung zwischen Verkäufer und Käufer und bindet in die Abwicklung des Vertrages eingeschaltete Dritte nicht, wie etwa Spediteur oder Frachtführer. Da die vertraglichen Regelungen mit diesen Dritten in einem engen Zusammenhang mit dem eigentlichen Liefervertrag stehen, ist die Vereinbarung der jeweiligen Klauseln hierauf abzustimmen.

 

Die Incoterms 2010

Die dreizehn Klauseln der INCOTERMS 2000 waren bislang in vier Gruppen eingeteilt: Die E-Klauseln als Abholklauseln (EXW), die F-Klauseln als Übergabeklauseln (FCA, FAS, FOB), die C-Klauseln als Absendeklauseln (CFR, CIF, CPT, CIP) und schließlich die D-Klauseln als Ankunftklauseln (DAF, DES, DEQ, DDU, DDP).

Die INCOTERMS 2010 bestehen dagegen nur noch aus elf Klauseln. Entfallen sind die Klauseln DDU, DAF, DEQ und DES, neu aufgenommen sind die Klauseln DAP und DAT. Die Regelungen sind nun nur noch in zwei Gruppen eingeteilt, die sich neuerdings nach der Transportart richten.

Die Klauseln FAS, FOB, CFR und CIF gelten ausschließlich für Schiffstransporte, die übrigen Klauseln EXW, FCA, CPT, CIP, DAT, DAP und DDP gelten hingegen für alle Transportarten. Damit tragen die INCOTERMS 2010 der gestiegenen Bedeutung des Lufttransports Rechnung.

Die INCOTERMS 2010 verwenden weiterhin die Kombination aus dem dreiteiligen Buchstabencode der Klauseln und dem konkreten Inhalt durch die zehn möglichen Grundpflichten für Verkäufer (A) und Käufer (B). Die Regelungen A1/B1 bis A10/B10 regeln daher

 

01        allgemeine Pflichten,

02        Lizenzen, Genehmigungen Sicherheitsüberprüfung und sonstige Formalitäten.

03        Beförderungs- und Versicherungsvertrag

04        Lieferung bzw. Abnahme

05        Gefahrübergang

06        Kostentragung

07        Benachrichtigung des Käufers/Verkäufers

08        Lieferdokument bzw. Liefernachweis

09        Verpackung, Kennzeichnung, Warenprüfung

10        Kostentragung bei Unterstützung mit Informationen.

Soll eine Grundpflicht bei einer bestimmten Klausel nicht bestehen, so ist dies durch den Begriff “no obligation” unter der entsprechenden Ziffer zum Ausdruck gebracht.

 

Änderungen in den Klauseln

Die Klauseln FOB, CFR und CIF enthalten nun neue und klarere Bestimmungen zur Kostentragung und zum Gefahrübergang. So stellt die Klausel FOB nunmehr klar, dass die Gefahr des Untergangs oder der Beschädigung der Ware in dem Moment auf den Käufer übergeht, wenn die Ware die Reling des Schiffes überquert hat und an Bord des Schiffes gelangt ist. Damit ist der genaue Punkt des Übergangs nun einheitlich bestimmt; zuvor nahmen manche Länder den Übergang bereits an, wenn der Schiffskran die Ware anhebt. Die Abgrenzung ist bei einem Sturz der Ware in das Hafenbecken bedeutsam.

 

 

Die einzelnen Klauseln

EXW (Ex Works – Ab Werk)

Die Regelung Ex Works oder EXW ist die für den Verkäufer günstigste Regelung. Sie bedeutet, dass der Verkäufer „ab Werk“ liefert und seine Lieferpflicht erfüllt hat, wenn er dem Käufer die Ware auf seinem Gelände oder einem anderen benannten Ort (z.B. Lager) bereitstellt. Der Käufer muss die Ware an dem benannten Ort auf eigene Kosten abholen; damit ist auch das Aufladen der Ware auf das Transportfahrzeug Sache des Käufers. Hier geben die Verkäufer häufig durch Bereitstellung von Personal und technischem Gerät Hilfestellung oder sie verladen sogar aus Kulanz die Ware auf das Transportfahrzeug. Dies ist aber nicht von Ex Works vorgeschrieben. Wird die Ware beim Verladen beschädigt, kann unter Umständen der Versicherungsschutz entfallen, wenn die Police die Verladung der Ware nicht umfasst. Mit der Bereitstellung der Ware geht die Gefahr vom Verkäufer auf den Käufer über, der Käufer trägt ab dann die weiteren Kosten der Lieferung.

 

FCA (Free Carier – Frei Frachtführer)

Der Verkäufer hat die Ware zur Ausfuhr frei zu machen und dem Frachtführer am Ort des Verkäufers oder einem anderen benannten Ort zu übergeben. Statt dem Frachtführer kann auch eine andere Person benannt werden. Bis zur Übergabe der Ware an die benannte Person oder den benannten Frachtführer trägt der Verkäufer alle Kosten und Gefahren, danach der Käufer.

 

CPT (Carriage Paid To – Frachtfrei)

Nach CPT hat der Verkäufer auf seine Kosten den Beförderungsvertrag abzuschließen und die Kosten zu tragen, die für die Beförderung zum Bestimmungsort entstehen. Ab Bestimmungsort trägt der Käufer die Kosten. Demgegenüber geht die Gefahr erst am vereinbarten Lieferort nach der Übergabe der Ware an den ersten Frachtführer auf den Käufer über.

 

CIP (Carriage And Insurance Paid To – Frachtfrei versichert)

CIP baut auf CPT auf. Zusätzlich muss der Verkäufer aber auf seine Kosten zugunsten des Käufers eine Versicherung gegen die Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung der Ware während des Transportes abschließen.

 

DAT (Delivered At Terminal – Geliefert Terminal)

DAT ist neu in die INCOTERMS 2010 aufgenommen. Unter „Terminal“ versteht sich ein Terminal im benannten Bestimmungshafen oder Bestimmungsort. Der Verkäufer erfüllt seine Lieferpflicht, sobald er die Ware von dem ankommenden Beförderungsmittel entladen und dem Käufer in dem vertraglich benannten Terminal im benannten Bestimmungshafen oder Bestimmungsort zur Verfügung stellt. Ab diesem Moment trägt der Käufer die Kosten. Die Gefahr geht am benannten Bestimmungshafen oder Bestimmungsort auf den Käufer über. Der Verkäufer schließt den Beförderungsvertrag ab und übernimmt die Ausfuhrabfertigung; die Einfuhrabfertigung übernimmt der Käufer.

 

DAP (Delivered At Place – Geliefert benannter Ort)

Auch DAP ist eine Neuerung der INCOTERMS 2010 und setzt auf DAT auf. Allerdings hat der Verkäufer seine Lieferpflicht bereits erfüllt, wenn er dem Käufer die Ware an dem benannten Bestimmungsort auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit zur Verfügung stellt. Im Gegensatz zu DAT muss hier keine Entladung durch den Verkäufer erfolgen. Folglich muss der Käufer die Kosten und die Gefahr tragen, sobald die Ware am benannten Bestimmungsort entladebereit ist.

 

DDP (Delivered Duty Paid – Geliefert verzollt)

DDP entspricht DAP – zusätzlich muss der Verkäufer die Ware jedoch zur Einfuhr freimachen. Der Verkäufer übernimmt hier also neben dem Abschluss des Beförderungsvertrages auch die Ausfuhr- und Einfuhrabfertigung.

 

FAS (Free Alongside Ship – Frei Längsseite Schiff)

Unter FAS hat der Verkäufer geliefert, wenn er die Ware im benannten Verschiffungshafen längsseits des vom Käufer benannten Schiffs bereitstellt. Der Käufer hat den Beförderungsvertrag auf seine Kosten abzuschließen. Die Ausfuhrabfertigung übernimmt der Verkäufer, die Einfuhrabfertigung der Käufer. Ab Bereitstellung der Ware längsseits des Schiffes trägt der Käufer die Kosten und die Gefahr. Die Klausel FAS ist nur für Schiffstransporte vorgesehen.

 

FOB (Free On Board – Frei an Bord)

Auch FOB ist nur für Schiffstransporte vorgesehen und setzt auf FAS auf:  Der Verkäufer hat seine Lieferpflicht erfüllt, wenn er die Ware im benannten Verschiffungshafen an Bord des vom Käufer benannten Schiffs geliefert hat. Ab Lieferung der Ware an Bord des Schiffes, also ab Verladung, gehen Kosten und Gefahr auf den Käufer über.

CFR (Cost And Freight – Kosten und Fracht)

CFR setzt auf FOB auf. Zusätzlich trägt der Verkäufer die Frachtkosten für die Beförderung der Ware zum benannten Bestimmungshafen. Die Kostentragung verbleibt beim Verkäufer bis zum Bestimmungshafen und geht erst dort (unversichert und ungelöscht) auf den Käufer über.

CIF (Cost Insurance And Freight – Kosten, Versicherung und Fracht)

CIF setzt auf CFR auf. Zusätzlich muss der Verkäufer eine Transportversicherung gegen die vom Käufer getragene Gefahr von Verlust oder Beschädigung der Ware während des Transports abschließen.

 

Bewertung und Empfehlung

Die INCOTERMS 2010 stellen eine hilfreiche Weiterentwicklung des Regelwerks der INCOTERMS dar, insbesondere durch Präzisierungen.

Aus Sicht des Verkäufers empfehlen sich die Abhol- oder Absendeklauseln, weil der Verkäufer nicht das Einfuhrrisiko trägt und er selbst die Vertragserfüllung der Lieferverpflichtung ohne Mitwirkung des Käufers erreicht. Auf diese Weise kann er zum Beispiel leichter die Auszahlungsvoraussetzungen aus einem Akkreditiv herbeiführen.

Bei der Verwendung einer Klausel sollten die Parteien den jeweils benannten Ort so genau wie möglich angeben. Ein Beispiel für eine Regelung im Vertrag wäre „FCA Hannover Airport, Terminal Nr. xx, INCOTERMS 2010“. Damit ist klar, welche Fassung der INCOTERMS Anwendung findet, welche Transportart gewählt ist und der Ort „Hannover Airport, Terminal Nr. xx“ ist genau beschrieben.

Bei richtiger Anwendung stellen die INCOTERMS eine große Hilfe und Vereinfachung der Käufer- und Verkäuferpflichten bei der Warenlieferung dar. Auf eine Modifizierung und Ergänzung der einzelnen Klauseln sollte jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit verzichtet werden.

hp-compact-2011-06-incoterms-2010

Sprechen Sie uns an!

Tel: +49 511-30756-0
Oder schreiben Sie uns:

    * Pflichtfeld

    Ich erkläre mich mit der Übertragung meiner Daten über ein gesichertes Formular einverstanden.*