Hannover, 07.01.2021  | Über den Brexit wurde in den letzten Jahren immer wieder berichtet, aber eben nur vorläufig und unter dem Vorbehalt der endgültigen Regelungen.  Nun haben sich EU und UK  im letzten Moment geeinigt: seit dem 01. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich (UK) getrennt von der EU – die Übergangsphase ist beendet, UK ist nicht mehr Teil des Binnenmarktes und der Zollunion und scheidet aus allen internationalen Verträgen der EU aus.

EU und UK haben den Weg für ihr künftiges Verhältnis im Withdrawal Agreement vom 12. November 2019 und im Trade and Cooperation Agreement vom 24. Dezember 2020 (TCA) vorgegeben.

Für Sie haben wir nun das Ergebnis zum Brexit und die wichtigsten Rechtsfolgen für Unternehmen in einem compact Beitrag zusammengefasst:

Hier können Sie sich das HP Compact als pdf-Datei kostenlos downloaden.

BREXIT – Handel und Dienste

Tobias Wundram, Rechtsanwalt in Hannover, Januar 2021

Zum 31. Dezember 2020 endete die sog. „Übergangsphase“ des Austritts („BREXIT“) des Vereinigten Königreichs (UK) aus der Europäischen Union (EU). Mit dem endgültigen BREXIT kommen nicht unerhebliche Änderungen für die Handelspartner im europäischen Wirtschaftsraum einher. Die umfangreichsten Folgen des nun in Kraft getretenen sog. „Trade and Cooperation Agreement“ (TCA) zwischen der EU und UK infolge des Austritts werden hier in Kürze dargestellt.[1]

Allgemeines

Das TCA soll zunächst vorläufig bis zum 28. Februar 2021 angewandt werden. Das EU-Parlament wird sich mit den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten über etwaigen weiteren Handlungsbedarf abstimmen. Das britische Parlament stimmte dem Entwurf in seiner derzeit aktuellen Fassung am 30. Dezember 2020 zu.

Im Hinblick auf den Warenverkehr erweist sich der wechselseitige Verzicht auf Erhebung von Zöllen für Waren, die den produktspezifischen Ursprungsregeln der jeweiligen Abkommenspartner (EU/UK) entsprechen und durch eine transparente Ursprungserklärung nachgewiesen wird, als das wohl wesentlichste Verhandlungsergebnis des TCA. Voraussetzung hierfür sind einerseits die Einhaltung materiell-rechtlicher (Be- und Verarbeitung von Waren ohne EU/UK-Ursprung nach Listenregeln) und andererseits formell-rechtlicher Vorgaben (Dokumentation der Ursprungsermittlung). Im Ergebnis entspricht der Aufbau/Inhalt der Ursprungsbestimmungen im TCA überwiegend den Inhalten neuerer EU-Präferenzabkom­men mit anderen Nicht-EU-Ländern.

Handel, Dienstleistungen und Warentransport

Für die Warentransportwege per Luft, Straße und Schiene ist allem voranzustellen, dass die von der UK erteilten Bescheinigungen und Betriebsgenehmigungen, insbesondere bei Sicherheitsfragen für Personal und Betriebserlaubnis, ihre Gültigkeit in der EU verloren haben. Zudem entfällt die europäische Kabotage-Regelung für das Vereinigte Königreich.

Darum haben sich beide Seiten auf ein Luftverkehrsabkommen geeinigt. Dieses gewährleistet die Einhaltung der bisherigen Normen der Flugsicherheit, Luftverkehrssicherheit und des Flugverkehrsmanagements und berücksichtigt nicht zuletzt auch die relevanten EU-Verbraucherschutzanforderungen und EU-Sozialstandards.

Der Marktzugang zur EU über den Warenverkehr auf See und Schienen bleibt weiterhin für die UK unter Einhaltung der EU-Sozial- und Beschäftigungsnormen eröffnet. Für den Lkw-Transport haben die EU und UK neue Genehmigungen ihren Speditionen und Fahrern zu erteilen, die jedoch weniger umfassend sind als die seinerzeit üblichen EU-Standards.

Der Handel mit Dienstleistungen wird sich insoweit verändern und anzupassen haben, weil die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne der Unionsverträge entfallen sind.

EU-Dienstleister müssen nunmehr nachweisen, dass sie alle UK-Vorschriften einhalten und alle Genehmigungen zur Dienstleistungserbringung vorliegen. Auf der anderen Seite haben ebenso UK-Dienstleister für den Zugang zum EU-Binnenmarkt nachzuweisen, dass sämtliche geltende europäischen Vorschriften eingehalten werden und alle Genehmigungen vorliegen, die für die Ausübung der jeweiligen Dienstleistung in der EU nötig sind. Bei Finanzdienstleistungen gelten nur noch die üblichen Drittstaatenregelungen des betreffenden Mitgliedstaates, weil das TCA nicht die fast 80 Prozent der britischen Wirtschaftskraft ausmachenden Finanzdienstleistungen umfasst. Londons einstiger direkte Marktzugang zur EU gehört damit endgültig der Vergangenheit an. Bis März 2021 ist hinsichtlich der Abwicklung von Finanzdienstleistungen die Vereinbarung eines Rahmenplans vorgesehen, um die Zusammenarbeit in Zukunft leichter regulieren zu können. Es besteht die Möglichkeit einer dauerhaften Lösung, sofern sich die EU dahingehend mit der UK einigen kann.

Obwohl das Abkommen nicht ausdrücklich auf die Regelung von Dienstleistungen abzielt, sind grenzüberschreitende Leistungen im Rahmen der Telekommunikation, bei Kurier- und Postdienstleistungen, bei Beförderungsdienstleistungen wohl im gemeinsamen Interesse und dürften demgemäß weiterhin möglich sein. Ebenfalls dürfte der Elektronische Geschäftsverkehr, beispielsweise via elektronischer Vertrauens- und Authentifizierungsdienste, geklärt sein; es besteht auch bereits Einigkeit hinsichtlich des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Abkommenspartnern.

Das TCA basiert auf der zwischen der EU und der britischen Regierung im November 2019 vereinbarten politische Erklärung und zielt auf einen offenen und fairen Wettbewerb („Level-Playing-field“) ab. Die britische Regierung akzeptierte daher auch, dass das Vereinigte Königreich die wesentlichen Normen der EU in der Umwelt, beim Klimawandel und relevanten Steuerfragen auf hohem europäischem Niveau beibehalten müsse, um letztlich angemessene wettbewerbsrechtliche Verhältnisse zu sichern.

Zölle

Die Zollbestimmungen und Zollformalitäten der EU verlieren gegenüber der UK ihre Geltung, mit der Folge, dass seit dem 01. Januar 2021 für den Warenverkehr aus bzw. in die UK die gleichen Bedingungen wie für den Handel mit Waren aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten gelten.

Sofern es sich um EU- beziehungsweise UK-Ursprungswaren handelt und dies entsprechend nachgewiesen werden kann, greifen die im Abkommen festgelegten Zollvergünstigungen (Präferenzzölle). Materialien mit Ursprung „Vereinigtes Königreich“ tragen nur noch im bilateralen Handelsverhältnis zwischen EU und UK zum Erreichen des Präferenzursprungs und somit zu Zollvergünstigungen bei. Im Verhältnis zu Drittländern verlieren britische Vormaterialien dagegen ihre präferenzielle Ursprungseigenschaft. Falls Transportwege über die UK führen, sind Direktbeförderungsklauseln zu beachten. Die Ursprungserklärung basiert im Übrigen nicht auf einer Wertgrenze.

Das TCA verhindert also für die Abkommenspartner gleichermaßen, dass sie die regelmäßig anfallenden Zölle nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO einführen müssen. Die UK wird keine Zollunion mit der EU eingehen, sondern eine eigenständige Handelspolitik betreiben, mit der Folge, dass Exporteure Zollpapiere ausfüllen und stichprobenartige Kontrolle dulden müssen.

Für Güter mit Ursprung aus Nicht-EU-Ländern bedeutet dies folglich: Aus der UK importierte Waren werden nach dem gemeinsamen Zolltarif der EU verzollt. Aus der EU in UK exportierte Güter werden nach dem Zollsatz der UK mit Zöllen belegt.

Durch den BREXIT ist es der UK nun theoretisch erlaubt, selbst Handelskontrakte mit anderen Nicht-EU-Ländern wie z.B. den USA abzuschließen und damit Zölle abzuschaffen. Wenn ein zollfreier Warenverkehr zwischen den USA und der UK entstünde, wäre dies ein Novum für den einstigen EU-Mitgliedstaat seit dessen Beitritt 1973 zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Hinzu kommt, dass es aufgrund des sog. Meistbegünstigungsprinzips der UK verboten ist, Handelsvergünstigungen mit einzelnen EU-Ländern zu schließen. Dadurch muss die britische Regierung direkt mit der EU über Handelserleichterungen verhandeln, welche jedoch denen der übrigen EU-Mitgliedern entsprechen und diese nicht benachteiligen dürften, um die europäischen Wettbewerber zu schützen. Bedenken bestehen insofern berechtigt, wenn die UK mit der EU in dem nun bestehenden Handelsbündnis verbliebe, jedoch gleichzeitig wie oben erwähnt mit Nicht-EU-Ländern Handelsvergünstigungen eingehen wollte. Solch eine Privilegierung von Drittländern wird die EU durch Vertragsbestimmungen sicherlich in Zukunft noch versuchen auszuschließen.

Weiterhin bleibt es nun Aufgabe der EU, sicherzustellen, dass keine US-Waren unverzollt in die EU gelangen. Hier lauern Gefahren und Unsicherheit, denn die Bürokratie rund um die Verzollung einschließlich der Kontrollen nimmt erheblich zu. Bei der Einfuhr in die EU sind britische Lastwagenfahrer zur Abgabe von transparenten Zollpapieren verpflichtet, aus denen hervorgehen muss, welchen genauen Ursprung die geladen Waren haben. Unternehmer müssen zudem angeben, dass ihre Produkte wirklich aus der UK stammen, um von der Zollfreiheit profitieren zu können. Sobald keine ausreichende Wertschöpfung und Produktionsschritte in der UK bestehen, verweigert die EU den zollfreien britischen Import. Dies allein bedeutet für den Handelsverkehr rund 250 Millionen zusätzlich auszufüllender Formulare im Jahr. Das Szenario, das diese nicht unerhebliche Bürokratie verhindern hätte können, wäre in Form einer Zollunion zwischen UK und EU möglich gewesen, ist aber eben nicht geglückt.

EU-Unternehmen, die Waren in das Vereinigte Königreich exportieren oder von dort importieren, müssen über eine EORI-Nummer der EU (Nummer zur Identifizierung und Registrierung von Wirtschaftsbeteiligten) verfügen. Die bisher durch die UK vergebenen EORI-Nummern haben seit Beginn des Jahres ihre Gültigkeit verloren und müssen bei den zuständigen Stellen der EU erneut beantragt werden.

Zudem ist aktuell anzunehmen, dass die EORI-Nummern in die Ursprungserklärung einzutragen ist, da bislang weder eine REX-Registrierung noch eine amtliche Bewilligung „Ermächtigter Ausführer“ im TCA bzw. in den EU-Erläuterungen vorgesehen sind.

UK-Unternehmen müssen sich laut dem „Border Operating Model“ der britischen Regierung ebenfalls auf grundlegende Zollanforderungen vorbereiten, zum Beispiel beim Import von Standardware (Kleidung, Elektronik etc.). Dazu gehören detaillierte Aufzeichnungen über die importierten Waren. Außerdem müssen Händler Einfuhrabgaben (Zoll und Umsatzsteuer) auf ihre Produkte entrichten. Innerhalb eines Zeitfensters von sechs Monaten können Zollerklärungen und Einfuhrabgaben unter gewissen Voraussetzungen nachgereicht werden.

Zertifikate

Die Qualitätskontrolle von Gütern konnte vor dem BREXIT gleichermaßen in jedem EU-Mitgliedstaat durchgeführt werden. Nun sind allerdings Konformitätsbewertungen und Zertifizierungen von Prüfstellen aus der UK nicht mehr gültig in der EU. Dadurch müssen britische Pharmaunternehmen ihre Medizin zweifach in britischen und in Laboren der EU testen lassen. Auch die Registrierungen von Chemieprodukten, die über die europäische Chemikalienverordnung „Reach“ erfolgt sind, müssen erneut durch ein eigenes britisches System erfolgen. Nur bei gegenseitiger Anerkennung der Standards könnte darauf in Zukunft verzichtet werden.

Die EU kann nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass die europäischen Regeln zum Verbraucherschutz und zur Lebensmittelsicherheit in Bezug auf britische Produkte eingehalten werden. Für bestimmte Güter – unter anderem chemische Produkte, Abfall- und Dual-Use-Güter – gelten Import- und Exportverbote beziehungsweise -beschränkungen.

Daher werden auch deshalb verschärfte Kontrollen von Importen an den Häfen und Grenzen für notwendig erachtet. In den kommenden sechs Monaten wird Großbritannien diese Kontrollen sukzessiv einführen, andere EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich bereits schneller. Sollte sich die UK künftig nicht an die EU-Standards halten, kann die EU mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren und etwa branchenübergreifende Strafzölle verhängen. Das wurde von britischer Seite zunächst abgelehnt. Die EU musste jedoch einwilligen, dass sie zuvor einen Streitschlichtungsmechanismus nutzen wird.

Wissenswertes für die Zukunft

  • Für den Im-/Export insbesondere von Autos, Medikamenten, Chemikalien und Wein sind weitreichende Vereinfachungen noch vorgesehen.
  • Produktspezifischen Ursprungsregeln und diesbezügliche Angaben sind streng einzuhalten.
  • Ein Verbot der Zollrückvergütung oder Zollbefreiung („Draw-Back-Verbot“) gibt es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht.
  • Um das „Territorialitätsprinzip“ zu wahren müssen die Be- und Verarbeitung der gehandelten Waren grundsätzlich auf dem Territorium eines Abkommenspartners erfolgen.
  • Bei Umladung, Transit etc. ist eine sog. „Nichtmanipulations-Bescheinigung“ erforderlich.
  • Im Bereich der Finanzdienstleistungen sollen noch offene Fragen in den kommenden Monaten geklärt werden.

Fazit

Die sog. bilaterale Kumulation zwischen EU und UK hat zur Folge, dass Ursprungswaren z.B. Importwaren aus Nicht-EU/UK-Ländern, keine Zollfreiheit genießen und dementsprechend verzollt werden müssen, weil die Listenregeln (Be-/Verarbeitung) nicht erfüllt werden. Lediglich solche Waren, die den Ursprungsregeln im Sinne des TCA unterliegen, dürfen ohne Zollaufschlag eingeführt werden.

Es besteht darüber hinaus aber die Möglichkeit der sog. „vollen“ Kumulierung durch Erstellung von Lieferantenerklärungen für Waren ohne Ursprung. Voraussetzung ist, dass die Einfuhr der Waren für die weiteren Be- oder Verarbeitungsschritte im Bestimmungsland (EU bzw. UK) zweckdienlich ist.

+++

[1] Die compact Themen zum BREXIT:

BREXIT – IP und Wettbewerbsrecht, Jan 2021

BREXIT – Handel und Dienste, Jan 2021

BREXIT – Personal in EU und UK, Jan 2021

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