Hannover, 07.01.2021  | Über den Brexit wurde in den letzten Jahren immer wieder berichtet, aber eben nur vorläufig und unter dem Vorbehalt der endgültigen Regelungen.  Nun haben sich EU und UK  im letzten Moment geeinigt: seit dem 01. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich (UK) getrennt von der EU – die Übergangsphase ist beendet, UK ist nicht mehr Teil des Binnenmarktes und der Zollunion und scheidet aus allen internationalen Verträgen der EU aus.

EU und UK haben den Weg für ihr künftiges Verhältnis im Withdrawal Agreement vom 12. November 2019 und im Trade and Cooperation Agreement vom 24. Dezember 2020 (TCA) vorgegeben.

Für Sie haben wir nun das Ergebnis zum Brexit und die wichtigsten Rechtsfolgen für Unternehmen in einem compact Beitrag zusammengefasst:

Hier können Sie sich das HP Compact als pdf-Datei kostenlos downloaden.

BREXIT – IP und Wettbewerb

Antonia Herfurth, Rechtsanwältin in München und Hannover, Januar 2021

Seit 01. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich (UK) getrennt von der EU – die Übergangsphase ist beendet, UK ist nicht mehr Teil des Binnenmarktes und der Zollunion und scheidet aus allen internationalen Verträgen der EU aus. Den Weg für das künftige Verhältnis von EU und UK haben die Parteien im Withdrawal Agreement vom 12. November 2019 und im Trade and Cooperation Agreement vom 24. Dezember 2020 (TCA) gezeichnet. Der folgende Beitrag erläutert die Rechtssituation im Hinblick auf den gewerblichen Rechtsschutz und das geistige Eigentum, das Datenschutzrecht und das Wettbewerbsrecht ab dem 01. Januar 2021.[1]

Gewerbliche Schutzrechte und Geistiges Eigentum

Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster schützen Marken und Designs auf Unionsebene. Der Schutz erstreckt sich auf das gesamte Unionsgebiet. Ab dem 01. Januar 2021 gehört UK nicht mehr zum Unionsgebiet. Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die ab diesem Zeitpunkt angemeldet werden, erfassen territorial nicht mehr UK. Der Schutz muss für UK gesondert beantragt werden. Bereits bestehende Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster werden in nationale britische Marken und Geschmacksmuster umgewandelt.

 Europäische Patente

Auf Europäische Patente wirkt sich der Austritt UKs nicht aus. Die Grundlage Europäischer Patente ist nicht das Unionsrecht, sondern das Europäische Patentübereinkommen, ein Völkerrechtsvertrag. In diesem ist UK weiterhin Mitglied.

Hingegen wird das von der EU seit Jahren geplante einheitliche EU-Patent, offiziell Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Das bestehende Europäische Patent ist ein Bündel nationaler Patente, bei dem lediglich das Antragsverfahren im Europäischen Patentamt zentralisiert ist. Hingegen soll das EU-Patent ein einheitliches, unionsweites Patent gewähren, angelehnt an die Unionsmarke und das Gemeinschaftsgeschmackmuster.

 Erschöpfungsgrundsatz

Der immaterialgüterrechtliche Erschöpfungsgrundsatz erstreckt sich künftig nicht mehr auf UK.

Nach dem Erschöpfungsgrundsatz verbrauchen sich die Rechte in Bezug auf die kommerzielle Nutzung eines Produktes oder Werkes, sobald dieses das erste Mal rechtmäßig in der EU in den Verkehr gebracht wird. Es tritt Erschöpfung für das gesamte Unionsgebiet ein. Veräußert beispielsweise ein Rechteinhaber Maschinenteile in Frankreich, kann er nicht verbieten, dass diese anschließend in Deutschland – legal – weiterveräußert werden. UK gehört fortan nicht mehr zum Unionsgebiet. Mithin führt ein Inverkehrbringen in UK nicht mehr zur Erschöpfung in der EU und wiederum ein Inverkehrbringen in der EU nicht mehr zur Erschöpfung in UK.

 Domainname „.eu“

Die Top-Level-Domain „.eu“ darf registriert und geführt werden von Unionsbürgern, Bürgern, die keine Unionsbürger sind, aber in der EU wohnhaft sind, und Unternehmen mit Sitz in der EU. Ab 01. Januar 2021 sind britische Bürger mit Wohnsitz in UK und Unternehmen, die nur in UK niedergelassen sind, nicht mehr berechtigt, die Domain zu registrieren und zu nutzen. Anderenfalls wird ihnen der Domainname entzogen. Entzogene Domains werden ab 01. Januar 2022 zur Registrierung für Dritte wieder freigegeben.

Lizenzvereinbarungen

Bei Lizenzvereinbarungen ist zu unterscheiden zwischen bereits bestehenden Vereinbarungen und solchen, die erst noch geschlossen werden.

Bereits bestehende Lizenzvereinbarungen sollten vor allem auf ihren räumlichen Geltungsbereich überprüft werden. Gegebenenfalls müssen Klauseln angepasst bzw. die Bedeutung einzelner Klauseln klargestellt werden. Beispielsweise sollte bei Formulierungen wie „Der Lizenzgeber gewährt dem Lizenznehmer über einen Zeitraum von XX Jahren eine Lizenz zur Nutzung von XX in der EU.“ die – künftige – Bedeutung von „in der EU“ klargestellt werden, gegebenenfalls mit anschließender Neuverhandlung der Klausel.

Bei künftigen Lizenzvereinbarungen kann der Austritt UKs von Anfang an berücksichtigt und die Vereinbarung entsprechend formuliert werden. Insbesondere bezüglich des räumlichen Geltungsbereichs kann eine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf UK empfehlenswert sein.

Ebenso Klauseln zum Gerichtsstand, CE-Kennzeichnungen, zu EU-Normen oder auch zur Auslegung einer Lizenzvereinbarung bedürfen der Überprüfung.

Datenschutz

Da UK  seit 01. Januar 2021 nicht mehr Teil der EU ist, ist grundsätzlich keine freie Datenübermittlung nach UK mehr möglich gemäß der Datenschutzgrundverordnung, der DSGVO. Da aber EU und UK erkannt haben, dass viele Unternehmen mehr Zeit benötigen, um sich der neuen Situation anzupassen, haben sie eine gestufte Übergangslösung etabliert. Der freie Datenverkehr gilt bis zum 30. April 2021 undwenn keine der Parteien widerspricht bis zum 30. Juni 2021. Danach findet Kapitel V DSGVO über die „Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer“ Anwendung. Dann ist die Datenübermittlung u.a. auf Grundlage eines sog. Angemessenheitsbeschlusses möglich, Art. 45 DSGVO, oder auf Grundlage geeigneter Garantien, Art. 46 DSGVO.

Angemessenheitsbeschluss

Ein Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission stellt fest, dass ein Drittland ein dem EU-Datenschutzniveau angemessenes Datenschutzniveau besitzt. Konsequenz ist, dass personenbezogene Daten in das Drittland ohne weitere Schutzmaßnahmen übermittelt werden dürfen. Die Kommission hat das DSGVO-konforme Schutzniveau für zwölf Staaten festgestellt, u.a. Kanada, Japan, Schweiz. Die Staaten sind auf der Website der Kommission zu finden.

UK befindet sich bisher nicht unter den Staaten, ein entsprechender Beschluss wird aber schnellstmöglich angestrebt – sofern das britische Datenschutzniveau DSGVO-konform ist.

Geeignete Garantien

Geeignete Garantien sind verbindliche interne Datenschutzvorschriften, Art. 46 Abs. 1 und 2 lit. b DSGVO, und Standarddatenschutzklauseln, Art. 46 Abs. 1 und 2 lit. c DSGVO.

Standarddatenschutzklauseln sind Musterverträge, die von der Europäischen Kommission geprüft und für DSGVO-konform erklärt wurden. Sie sind auf der Website der EU und der Kommission zu finden. Sie erfassen die Datenübermittlung von Verantwortlichen in der EU an Auftragsverarbeiter in Drittländer und die Datenübermittlung von Verantwortlichen in der EU an Verantwortliche in Drittländer.

Art. 47 DSGVO erklärt, was geeignete verbindliche interne Datenschutzvorschriften sind, auch Binding Corporate Rules, sog. BCR. BCR sind unternehmensinterne, verpflichtende Richtlinien zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Insbesondere Unternehmen mit Datenfluss in Drittländer verwenden BCR. Diese müssen von der zuständigen Aufsichtsbehörde eines Mitgliedsstaates genehmigt werden. Genehmigungen, die von einer britischen Aufsichtsbehörde seit dem 25. Mai 2018 erteilt wurden, haben am 01. Januar 2021 ihre Gültigkeit verloren, es sei denn, eine neue Genehmigung einer Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaates liegt vor. Genehmigungen, die vor dem 25. Mai 2018 erteilt wurden, behalten ihre Gültigkeit, wenn sämtliche Bezugnahmen auf britische Gerichte, Aufsichtsbehörden oder auch juristische Personen in den internen Datenschutzvorschriften durch die eines Mitgliedstaates ersetzt werden.

 Angemessenheitsstatus der EU

Im Gegensatz zur EU hat UK in seinem Datenschutzgesetz, sog. Data Protection Act, den Mitgliedsstaaten die Angemessenheit bis Ende 2024 zuerkannt. Allerdings muss der Angemessenheitsstatus laut Gesetz bis dahin überprüft werden.

Wettbewerb

Kartellverbot und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Im Wettbewerbsrecht ist die Situation anders. Zwar ist UK nicht mehr Teil der EU, allerdings setzen die wichtigsten EU-Wettbewerbsregeln Art. 101 und 102 AEUV keinen Unternehmenssitz in der EU oder Unionszugehörigkeit voraus. Die Artikel stellen auf einen Zusammenhang zwischen wettbewerbswidrigem Verhalten und dem Unionsgebiet ab. Wenn das wettbewerbswidrige Verhalten in der EU stattfindet oder es sich auf die EU auswirkt, findet das Unionsrecht Anwendung. Künftig kann das britische Wettbewerbsrecht aber parallel anwendbar sein.

Gruppenfreistellungsverordnungen der EU sind nicht mehr unmittelbar anwendbar auf UK. Jedoch übernimmt das britische Recht die Verordnungen mit kleinen Anpassungen. Sog. Gruppenfreistellungsverordnungen bilden Ausnahmen für Vereinbarungen oder Beschlüsse bestimmter Gruppen, die an sich wettbewerbsbeschränkend sind, aber ausnahmsweise zugelassen werden, beispielsweise bestimmte vertikale Vereinbarungen im Bereich des Vertriebs.

Mit dem Austritt UKs reduzieren sich die Ermittlungsbefugnisse der Europäischen Kommission. Wird ein förmliches Verfahren vor der Kommission eingeleitet, kann diese zwar weiterhin Auskunft von britischen Unternehmen verlangen, allerdings besitzt sie keine weiteren Nachprüfungsbefugnisse mehr bei denen sie z.B. Räumlichkeiten von Unternehmen betreten oder Bücher und Geschäftsunterlagen prüfen kann.

Fusionskontrolle

Fusionskontrollen richten sich in der EU maßgeblich nach der EG-Fusionskontrollverordnung (EG) 139/2004. Wie Art. 101 und 102 AEUV knüpft die Verordnung nicht an den Sitz oder die Staatszugehörigkeit der beteiligten Unternehmen an, sondern an die Bedeutung des Zusammenschlusses für die EU. Für die Bedeutung stellt die Verordnung auf die erzielten Umsätze der Unternehmen ab – weltweit, unionsweit und gegebenenfalls in einzelnen Mitgliedstaaten.

Zu beachten ist allerdings, dass für Zusammenschlüsse, die ab dem 01. Januar 2021 geschlossen oder angemeldet werden, die in UK erzielten Umsätze nicht mehr berücksichtigt werden dürfen bei der Ermittlung des unionsweiten Gesamtumsatzes und bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes von Unternehmen in den Mitgliedstaaten. Dies wirkt sich u.a. auf die Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung aus, für die gewisse Umsatzschwellenwerte erreicht werden müssen. Das könnte künftig schwieriger werden, da die in UK erzielten Umsätze nur noch bei der Ermittlung des weltweiten Gesamtumsatzes berücksichtigt werden dürfen.

Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden

Zuständige Wettbewerbsbehörden finden sich auf Unionsebene sowie nationaler Ebene. Allgemein gesprochen, ist die Europäische Kommission zuständig für Fälle unionsweiter Bedeutung, die nationalen Behörden für Fälle nationaler Bedeutung.

Die Kommission bleibt grundsätzlich zuständig für die Überwachung bereits von ihr genehmigter Fusionen. Ebenso für Fusionskontrollverfahren, die vor Ablauf des 31. Dezember 2020 bei der Kommission eingeleitet wurden. Ab dem 01. Januar 2021 können die Kommission und die britische Wettbewerbsbehörde, Competition and Markets Authority, parallel zuständig sein – entsprechend ihrer jeweiligen Wettbewerbsvorschriften. Die Zuständigkeit ist im Einzelfall zu prüfen.

In UK wird das One-Stop-Shop-Prinzip des EU-Wettbewerbsrechts keine Anwendung mehr finden. Das Prinzip ist in der EG-Fusionskontrollverordnung niedergelegt und begründet die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission für die Überprüfung von Fusionen, die eine gewisse Umsatzschwelle überschreiten. In diesem Fall dürfen die Mitgliedstaaten keine nationalen Parallelverfahren einleiten. Die Kommission entscheidet einheitlich über die Wettbewerbsvereinbarkeit der Fusion. UK profitiert künftig nicht mehr von dem Prinzip.

Fazit

Im geistigen Eigentum und gewerblichen Rechtsschutz besteht kaum Handlungsbedarf anlässlich des Austritts UKs aus der EU. Bestehende Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster werden für das räumliche Gebiet UKs in nationale, britische Marken und Geschmacksmuster umgewandelt. Bei Neuanmeldungen ist zu berücksichtigen, dass wenn ein Schutz über das Unionsgebiet hinaus für UK begehrt wird, dieser zusätzlich auf nationaler britischer Ebene beantragt werden muss. Europäische Patente werden vom Austritt UKs nicht berührt. Lizenzvereinbarungen hingegen bedürfen einer Überprüfung und gegebenenfalls der Anpassung.

Im Datenschutz ist zu beachten, dass personenbezogene Daten ab 01. Mai bzw. Juli 2021 nicht mehr ohne Weiteres nach UK übermittelt werden dürfen. UK gilt dann als Drittland mit potenziell unzureichendem Datenschutzniveau im Sinne der DSGVO. Eine Datenübermittlung ist nur zulässig auf der Grundlage eines Angemessenheitsbeschlusses oder geeigneter Garantien, also verbindlicher interner Datenschutzvorschriften oder Standarddatenschutzklauseln. Hingegen betrachtet UK die Mitgliedstaaten noch bis Ende 2024 als Staaten mit einem angemessenen Datenschutzniveau.

Im Wettbewerbsrecht ändert der Austritt UKs kaum etwas an der Beurteilung von wettbewerbswidrigem Verhalten. Für die Bildung von Kartellen oder die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung ist von Bedeutung, ob ein wettbewerbswidriges Verhalten in der EU umgesetzt wird oder es sich auf die EU auswirkt. Der Sitz oder die Staatszugehörigkeit eines Unternehmens ist unwichtig. Allerdings sind Änderungen bei der Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung und der Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden zu beachten.

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[1] Die compact Themen zum BREXIT:

BREXIT – IP und Wettbewerbsrecht, Jan 2021

BREXIT – Handel und Dienste, Jan 2021

BREXIT – Personal in EU und UK, Jan 2021

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