In Corona, Corona Lage

Reform des Infektionsschutzgesetzes auf juristischem Prüfstand in Karlsruhe

Hannover, 26. April 2021  |   In der Nacht zum 24. April 2021 traten die heftig umstrittenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes automatisch in Kraft. Die schon im Vorfeld von vielerlei Akteuren verschiedener politischer Couleur und Handelsunternehmen angekündigten Verfassungsbeschwerden gegen die beschlossene Gesetzesänderung gingen inzwischen am Verfassungsgericht in Karlsruhe ein. Verfechter des juristischen Widerstands gegen die sog. „Bundes-Notbremse“ entfachen vor allem in diesen Punkten eine hochentzündliche Debatte:

1. Kompetenzfrage
Schon die Frage der Zuständigkeit für die neuen Beschränkungen sei nach Ansicht der Partei der Freien Wähler aus Bayern keine Sache des Bundes, weil das Durchgreifen des Bundes wegen der hohen regionalen Unterschiede des Infektionsgeschehens überhaupt nicht erforderlich sei. Außerdem wird kritisiert, dass die Regelungen anhand des täglich vom Robert-Koch-Institut (RKI) bekanntgegebenen Inzidenzwert nicht bestimmt genug seien und die Landesregierungen zwecks Orientierung für die Bürger die Maßnahmen konkret bekanntgeben müssten.

2. Nächtliche Ausgangssperre
Sie stellt nach Auffassung der FDP, der Freien Wähler und der Gesellschaft für Freiheitsrechte ohne Zweifel den stärksten und zugleich einen ungerechtfertigten Eingriff in das persönliche Freiheitsrecht (Artikel 2 Grundgesetz) dar. Bislang waren an Paragraf 28a Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes beson-ders hohe Anforderungen gestellt; so waren Ausgangsbeschränkungen nur dann zulässig, wenn alle bis-her getroffenen Maßnahmen nicht wirksam genug waren, um die Infektionsrate zu senken. In den letzten Wochen wurden solche im Volksmund bezeichneten „Ausgangssperren“ immer wieder vor den Verwal-tungsgerichten wegen unzureichender Begründungen für unzulässig erachtet. Die aktuelle Regelung lässt aber eine automatische Beschränkung zwischen 22 Uhr und 5 Uhr zu, wenn an drei aufeinanderfolgen-den Tagen ein Inzidenzwert von 100 überschritten wird. Abgesehen von der Debatte um die Unverhält-nismäßigkeit und allgemeinen Nutzen der Ausgangsbeschränkungen, wird die Gesetzesänderung auch in formeller Hinsicht angegriffen: Die Beschränkung der persönlichen Freiheit sei im Grundgesetz nicht durch automatisch in Kraft tretende Gesetze erlaubt. Es fehle ein zusätzlicher Vollzugsakt, der sicherstellt, dass die Beschränkung überprüft werden kann, bevor sie Wirkung entfalten dürfe. Diese Ansicht teilten auch mehrere Verfassungsrechtler vergangene Woche im Gesundheitsausschuss.

3. Geimpfte erhalten keine Ausnahmen
Nach Ansicht der Juristen dürften den vollständig Geimpften keine gravierenden Beschränkungen mehr auferlegt werden, weil das RKI im April feststellte, dass spätestens ab dem 15. Tag nach der Zweitimpfung das Risiko einer Virusübertragung für die epidemische Ausbreitung keine wesentliche Rolle mehr spielt. Doch das neue Gesetz sieht lediglich vor, dass die Bundesregierung zu dieser Thematik Verordnungen erlassen darf. Damit erleiden die Geimpften einen Rückschlag: die bereits in einigen Landesverordnun-gen verkündeten Erleichterungen wurden durch die Bundesregelung rückgängig gemacht.

4. Lockdown des Einzelhandels
Der weiterhin andauernde Lockdown lässt mehrere Handelsunternehmen ihre Aussichten vor dem Ver-fassungsgericht prüfen. So kritisieren sie eine Verzerrung des Wettbewerbs, weil größere Lebensmittel-händler weiterhin öffnen und auch andere Artikel als Lebensmittel verkaufen dürfen, jedoch entspre-chende Fachhändler schließen müssen. Außerdem werde der Handel im Vergleich zu anderen Arbeitge-bern einseitig belastet. Zwar werde die Homeoffice-Pflicht für Arbeitgeber auf eine gesetzliche Grundla-ge gestellt, allerdings besteht für Unternehmen die Möglichkeit aufgrund betrieblicher Gründe ihre An-gestellten an den Arbeitsplatz zu rufen. Der Handel müsse jedoch bei einem Inzidenzwert von über 150 vollständig geschlossen bleiben. Diese Ungleichbehandlungen seien nicht ausreichend begründet, so die Ansicht der Händler.

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