Hannover, 11. April 2019  | Das in der EU geltende Urheberrecht ist durch verschiedene Richtlinien harmonisiert – allerdings stammt es aus dem Jahr 2001, und damals gab es noch kein Facebook, YouTube oder Twitter. Damit erfüllt es „in diesem neuen digitalen Umfeld“ nicht mehr ausreichend seinen Zweck. Zu dieser Ansicht kam die Europäische Kommission nach einer Evaluation des Urheberrechts zwischen den Jahren 2013 und 2016 und stieß infolgedessen die Reform an.

Am 26. März 2019 hat nun das Europäische Parlament der ihm vorgelegten Urheberrechtsreform zugestimmt. Der kontrovers diskutierte Entwurf wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Sollte auch der Rat der Europäischen Union den Entwurf bestätigen, wäre das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen und die Mitgliedstaaten müssten die Urheberrechtsrichtlinie innerhalb von zwei Jahren umsetzen.

Das Ziel ist, das Urheberrecht auf EU-Ebene an die „neuen Realitäten“ anzupassen, denn die Entwicklung der Digitaltechniken hat zu Veränderungen bei der Schaffung, der Herstellung, der Verbreitung und der Verwertung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen geführt. Es gibt neue Formen der Nutzung sowie neue Akteure und Geschäftsmodelle.[1] Darüber hinaus sollen Urheber und Rechteinhaber besser geschützt werden, indem ihnen für ihre Inhalte im Internet eine faire Vergütung zugesichert wird. Außerdem will die EU den digitalen Binnenmarkt fördern und eine Zersplitterung des Urheberrechts in den Mitgliedstaaten verhindern. Denn auch wenn Ausnahmen und Beschränkungen von Urheberrechten auf EU-Ebene harmonisiert sind, ist aufgrund der Herausbildung neuer Nutzungsarten in den letzten Jahren nicht sicher, ob diese Ausnahmen weiterhin geeignet sind, ein faires Gleichgewicht zwischen den Rechten und Interessen von Urhebern auf der einen und denen der Nutzer auf der anderen Seite zu sorgen. Außerdem greifen diese Ausnahmen nur auf nationaler Ebene. Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Nutzungen ist nicht garantiert.

 

Die neue EU-Richtlinie

Der aktuelle Richtlinienentwurf behandelt Maßnahmen zu mehreren neuen Bereichen:

  • Anpassung von Ausnahmen und Beschränkungen an das digitale und grenzüberschreitende Umfeld
  • Verbesserung der Lizenzierungspraxis und zur Gewährleistung eines breiteren Zugangs zu Inhalten,
  • Schaffung eines funktionsfähigen Marktes für den Urheberrechtsschutz

Vier Artikel des Richtlinienentwurfs sind besonders hervorzuheben:

 

Text- und Data-Mining (Artikel 3)

Aus netzpolitischer Sicht ist Artikel 3 besonders interessant, er sieht eine neue, EU-weit verpflichtende Schrankenregelung zugunsten des Text- und Data-Mining vor.

Er lässt künftig die automatische Auswertung oder Analyse bereits vorhandener Daten zum Zweck der nicht-kommerziellen wissenschaftlichen Forschung zu, um neue Erkenntnisse zu gewinnen (Text- und Data-Mining).

Darüber hinaus wirkt sich Artikel 3 indirekt auf die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Anwendung von Analysemethoden aus – beim Einsatz Künstlicher Intelligenz geht es um die Frage, wer unter welchen Umständen auf welche öffentlichen Daten zugreifen darf, um selbstlernende Algorithmen zu entwickeln, zu erproben oder anzuwenden. Da Artikel 3 aber lediglich nicht-kommerzielle Wissenschaftseinrichtungen begünstigt, die Weiterentwicklung Künstlicher Intelligenz allerdings maßgeblich durch kommerzielle Datenwissenschaftler und Start-ups angetrieben wird, hat die EU mit Artikel 4 eine Öffnungsklausel geschaffen. Diese ermöglicht es den Mitgliedstaaten für ihre heimische Industrie, Wissenschaft oder die interessierte Öffentlichkeit, weitere Ausnahmen vorzusehen.

 

Leistungsschutzrecht für Presseverleger (Art. 15)

Artikel 15 richtet sich an alle Dienste und Internet-Plattformen, die ihr Geld mit fremden Inhalten verdienen, wie etwa Google, YouTube, Facebook oder auch Instagram. Die Intention der EU ist es, Verlage im Online-Bereich nicht länger schlechter zu stellen als andere Werkvermittler, z.B. Tonträgerhersteller. Schließlich kosten auch verlegerische Leistungen Zeit und Geld. Außerdem soll das Leistungsschutzrecht die Zukunft der Presse sichern, indem auf diese Weise eine neue Einnahmequelle für europäische Verlage erschlossen wird.

Nach deutschem und spanischem Vorbild will die EU daher ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger einführen. Dieses gewährt Presseverlegern das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile davon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Die Regel dient dem Schutz vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die Anbieter von Suchmaschinen und Anbieter von solchen Diensten im Netz, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten; denn deren Geschäftsmodell ist in besonderer Weise darauf ausgerichtet, für die eigene Wertschöpfung auch auf die verlegerische Leistung zurückzugreifen.

Private oder nicht-kommerzielle Nutzungen von Presseveröffentlichungen durch einzelne Nutzer werden von der Bestimmung nicht erfasst.

 

Ausgleichsansprüche von Verlagen (Artikel 16)

Die EU möchte Verlage wieder an gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligen.

Dazu können die Mitgliedstaaten nun gemäß Artikel 16 festlegen, dass für den Fall, dass ein Urheber einem Verleger ein Recht übertragen oder ihm eine Lizenz erteilt hat, diese Übertragung oder Lizenzierung eine hinreichende Rechtsgrundlage für den Anspruch des Verlegers auf einen Anteil am Ausgleich für die jeweilige Nutzung des Werkes darstellt.

 

Lizenzierungspflicht und Upload-Filter (Artikel 17)

Nach dem aktuellen EU-Urheberrecht haften für urheberrechtsverletzende Inhalte nicht die Internet-Plattformen, sondern die Nutzer sind für die von ihnen hochgeladenen Bilder, Videos, Texte oder Musik verantwortlich. Mit der Urheberrechtsreform sollen nun die Plattformen dafür verantwortlich sein, wenn Inhalte hochgeladen werden, für die sie, die Plattformen, keine Lizenzen besitzen.

Zur Befolgung von Artikel 17 müssen Plattformen dann alle Inhalte mittels einer Software scannen, die mithilfe einer umfangreichen Datenbank prüft, ob eine andere Person das Urheberrecht an dem Inhalt hat; ist dies der Fall, verhindert der Filter das Hochladen (Upload-Filter). Deshalb sollen Plattformbetreiber Lizenzen für die Inhalte erwerben, die von Nutzern hochgeladen werden, und somit auch die Urheber an den Umsätzen beteiligen.

Eine Plattform kann der Haftung entgehen, wenn sie sich rechtzeitig bemüht hat, von den Rechteinhabern Lizenzen zu erhalten. Außerdem sollen Plattformen von Upload-Filtern ausgenommen werden, die seit weniger als drei Jahren bestehen, deren Jahresumsatz weniger als zehn Millionen Euro beträgt und deren Nutzerzahl unter fünf Millionen pro Monat liegt.

 

Kritikpunkte

Während Befürworter in dem aktuellen Richtlinienentwurf eine Stärkung der Position von Rechteinhabern gegenüber Plattformen wie Google, YouTube oder Facebook sehen, warnen Kritiker vor den Folgen der Reform: Das Internet der Verbraucher könne um einiges kleiner werden. Die Kritiker befürchten eine Einschränkung der Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit.

 

Text- und Data-Mining

Als der zunächst restriktive Kommissionsvorschlag zum Text- und Data-Mining um eine nationale Öffnungsklausel erweitert wurde, erntete dies Zustimmung. Bald kam allerdings der Gedanke auf, wie lange kommerzielle Datenwissenschaftler, Start-ups und ähnliche darauf warten sollen, dass ihre nationale Regierung eigene Regelungen erlässt, die ihnen die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz ermögliche, zumal die Klausel lediglich eine Ausnahme von der Regel anbiete. Ob die Mitgliedstaaten diese annehmen, obliege ihnen selbst.

 

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Die aufgezeigten Beweggründe für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger sind durchweg zu befürworten.
Allerdings führen Gegner des Leistungsschutzrechts an, dass bereits die Vorbilder gescheitert seien. Während vom spanischen Gesetz inzwischen bekannt sei, dass es einen negativen Einfluss auf die Sichtbarkeit von Nachrichten und den Informationszugang in Spanien habe und vor allem kleineren und unabhängigen Medien geschadet habe, führe das deutsche Leistungsschutzrecht nur dazu, dass Verleger in Deutschland ihre Inhalte nach kurzer Zeit wieder kostenlos zur Verfügung gestellt hätten. Außerdem stehe es kurz davor vor Gericht als nichtig erklärt zu werden. Das Leistungsschutzrecht habe den Verlagen in der Realität keine Mehreinnahmen verschafft.

Ferner wird befürchtet, dass entgegen der ursprünglichen Absicht, nur kommerzielle Nutzer zu erfassen, auch Blogger, kleine Unternehmen oder etwa private Nutzer, die fremde Inhalte im Netz sammeln, teilen und kommentieren, indirekt von Artikel 15 betroffen sein könnten.

Außerdem mache das Leistungsschutzrecht die Nutzung von Suchmaschinen und Plattformen im Alltag beschwerlich. Denn künftig dürften diese keine Titel oder ganzen Sätze mehr anzeigen, wenn sie keine Lizenzen von den Rechteinhabern erworben hätte. Nach der EU-Reform dürften nur noch einzelne Worte oder kurze Textausschnitte eingeblendet werden. Ferner Links, aber wiederum keine Linkvorschauen, die üblicherweise Titel und Anreißer eines Artikels mit anzeigen. Der Nutzer habe also kaum eine Chance vor dem Klick zu erfahren, wovon der geteilte Beitrag genau handelt.

 

Ausgleichsansprüche von Verlagen

Die Einführung von Ausgleichsansprüchen von Verlagen wurde bereits im Jahr 2015 vom Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklärt. Der Gerichtshof argumentierte, dass diese Kompensation, die damals je nach Land und Art des Werkes bis zu 50% betrug, allein den Urhebern zu Gute kommen solle.

 

Lizenzierungspflicht und Upload-Filter

Durch die Einführung von Upload-Filtern sehen Gegner die Internet-Kultur in Gefahr. Das grundlegende Problem sei, dass Upload-Filter, als automatisiertes Computerprogramm, Ironie, Satire oder auch Sarkasmus nicht erkennen können. Denn dafür müsse ein Inhalt in Kontext gesetzt werden können.

Außerdem haben Kritiker Sorge, dass Plattformen bei der Gefahr potenzieller Haftung vorsichthalber zu viele Inhalte – dabei auch legale – als zu wenige löschen (Overblocking). Zwar könne der betroffene Nutzer dagegen mittels Beschwerde oder Klage vorgehen, allerdings würden solche Schritte viele Nutzer eher abschrecken. Ein Rückgang der Meinungsvielfalt im Internet wird befürchtet.

Weiterhin bleibt die Sorge um eine automatisierte Zensur kritischer Stimmen. Befürworter halten dagegen, dass die Kontrolle angemessen und transparent sein solle. Außerdem würden die Plattformen in den meisten Fällen ohnehin Lizenzen für das urheberrechtlich geschützte Material erwerben, sodass es gar nicht zu Sperrungen kommen müsse. Demgegenüber wird eingewendet, dass unklar sei, wie sich Plattformen rechtzeitig um Lizenzen bemüht haben sollen, wenn sie doch erst im Moment des Uploads wissen, was für ein Inhalt hochgeladen werde.

Bereits Anfang 2012 hatte sich der Europäische Gerichtshof gegen Upload-Filter ausgesprochen. Dies begründete er mit dem Verbot einer allgemeinen Überwachungspflicht sowie einer Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit, da teure und komplizierte Informatiksysteme für solch eine Überwachung notwendig seien. Dementsprechend wird von vielen ein weiterer Wachstum der Marktpositionen von ohnehin schon großen Plattformen wie Google, Facebook oder Amazon befürchtet. Das könne wiederum die Verhandlungsposition der Rechteinhaber schwächen, da die Inhalte entweder zu den Konditionen der Plattformen oder eben gar nicht hochgeladen werden würden.

 

Alternativvorschläge

Der Richtlinienentwurf wurde am 26. März unverändert angenommen. Dabei gab es Alternativvorschläge.

Großzügigeres Text- und Data-Mining

Obgleich die Einführung der Öffnungsklausel von vielen Experten gelobt wurde, reichte sie ihnen nicht. Denn um es den – ohnehin schon wenigen – Fachkräften und Innovatoren im IT-Bereich nicht noch schwieriger zu machen, wurde angeregt, die Öffnungsklausel nicht auf nationaler Ebene zu belassen, sondern auf EU-Ebene anzuheben.

Um eine befürchtete Verlagerung der kommerziellen Forschung in Rechtsordnungen, deren Urheberrecht großzügiger ist als das der EU, etwa in den USA oder Asien, zu verhindern, schlugen Experten vor, das kommerzielle Mining freizustellen und im Gegenzug die Rechteinhaber zu vergüten.

 

Erfassung nur betroffener Plattformen

Aus den Reihen des Europäischen Parlaments wurde vorgeschlagen, die in der Urheberrechtsrichtlinie formulierte Definition von „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ enger zu fassen. Auf diese Weise könnten nur solche Plattformen zur Einführung eines Upload-Filters verpflichtet werden, die von besonders vielen Urheberrechtsverletzungen betroffen seien. Damit würde der Konflikt deutlich gemindert.

 

Einführung pauschaler Lizenzgebühren

Nach einem Vorschlag der CDU zur nationalen Umsetzung der Urheberrechtslinie soll in Deutschland als Grundsatz gelten: „Bezahlen statt Blocken.“ Danach sollen zunächst grundsätzlich alle Inhalte hochgeladen werden können, und zwar ohne Upload-Filter oder Zensurgefahr. In einem zweiten Schritt müssten Plattformbetreiber die Urheber für die Nutzung ihrer Werke entschädigen. Das gelte nicht, wenn die Nutzung ohnehin bereits durch Erwerb einer Lizenz freigegeben wurde. Außerdem sollen Uploads, die sich unterhalb einer bestimmten zeitlichen Grenze befinden, von Lizenzgebühren frei sein.

Ausblick

Nach der Zustimmung des Parlaments zur Reform des Urheberrechts sind nun die Mitgliedstaaten am Zug. Sie müssen dem Entwurf noch einmal zustimmen. Dies hatten sie – auch mit einem deutschen Ja – im Februar schon einmal getan. Als möglicher Termin für das neue Votum gilt der 9. April 2019. Die Reformgegner erhoffen sich, dass die Bundesregierung die Zustimmung diesmal verweigert. Zumal durch ein deutsches Nein die nötige Mehrheit unter den Mitgliedstaaten ungewiss wäre. Ein deutsches Nein gilt jedoch als unwahrscheinlich.

[1] Einige Textstellen sind der Begründung der Richtlinie entnommen.

Den vollständigen Aufsatz finden Sie hier zum Download.

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