CASTON COMPACT No. 380 | im November 2010  |
Thomas Gabriel, Rechtsanwalt und beeidigter Übersetzer für die polnische Sprache, Hannover |

 

Polen bleibt gerade für kleine und mittlere deutsche Unternehmen auch in den kommenden Jahren weiter interessant. Im Bereich der Konsum- und der Investitionsgüter bietet sich hier den deutschen Exporteuren der größte Markt unter den neuen EU-Beitrittsländern. Die Überlegungen zur Geschäftsstrategie können ergeben, dass in der Anfangsphase die Gründung einer Niederlassung nicht immer erforderlich ist. Gute Chancen für den Markteinstieg und eine kurzfristige Aufnahme der Geschäftsaktivitäten bietet die Zusammenarbeit mit einem polnischen Handelsvertreter (agent). Die Vorteile bestehen vor allem darin, dass zuerst keine eigene Infrastruktur in Polen erforderlich ist, es ist auch nicht notwendig, sich mit polnischen arbeits- oder sozialrechtlichen Vorschriften auseinanderzusetzen, darüber hinaus können viele bürokratische Hemmnisse umgangen werden.

Der Einsatz eines Handelsvertreters bietet eine hohe Flexibilität und die Möglichkeit der Erschließung eines neuen Marktes zu relativ niedrigen Kosten. Auf der anderen Seite kann es schwierig sein, einen zweisprachigen, fachlich geeigneten und engagierten Handelsvertreter zu finden. Der Vertrag muss sicherstellen, dass der Einsatz des Handelsvertreters der Marktstrategie des Unternehmers genau entspricht. Die Zusammenarbeit mit Handelsvertretern bedeutet für den Auftraggeber immer auch ein gewisses Wagnis, da er einem Dritten, auf dessen fachliche Eignung und Loyalität er vertraut, weit reichende Befugnisse in einem fremden Land und in einem fremden Markt einräumt. Der Einsatz eines Handelsvertreters, auch ohne Abschlussvollmacht, der durch seine vielfältigen Geschäftskontakte das Image des Auftraggebers auf dem Markt wesentlich beeinflusst, bietet deshalb viele Chancen, ist aber auch mit Risiken verbunden. Ähnlich den Regelungen des deutschen Handelsvertreterrechtes handelt es sich auch bei den polnischen Regelungen überwiegend um Schutzbestimmungen für einen Handelsvertreter als den potentiell wirtschaftlich schwächeren Partner. Zu beachten ist jedoch, dass gerade der Unternehmer auf einem neuen ausländischen Markt von der Loyalität eines sach- und landeskundigen Handelsvertreters abhängig ist, der seinerseits darum bemüht sein dürfte, im eigenen Interesse die Einführung von Schutzklauseln in den Vertrag durchzusetzen.

Die Bedeutung der individuellen Ausstattung eines Handelsvertretervertrages (umowa agencyjna) sollte deshalb nicht unterschätzt werden.

 

Form des Handelsvertretervertrages

Das polnische Handelsvertreterrecht ist in den Art. 758 – 764 ZGB (poln. Zivilgesetzbuch) geregelt.

Der Vertrag zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer bedarf nicht der Schriftform, jede Partei kann aber eine schriftliche Bestätigung der Vereinbarung verlangen. Die Schriftform ist nur dann erforderlich, wenn durch den Vertrag eine sog. Delkredere-Haftung des Handelsvertreters begründet wird. Dabei handelt es sich um eine Übernahme der Haftung durch den Handelsvertreter für bestimmte Pflichten des Kunden gegenüber dem Unternehmer, bis hin zur Erfüllung des vermittelten oder im Namen des Unternehmers abgeschlossenen Geschäftes.

Zu beachten ist, dass ein Handelsvertreterverhältnis durch faktisches Handeln des Beauftragten entstehen kann. Damit gelten die mündlichen Absprachen und die gesetzlichen Regelungen. Wenn der Unternehmer in dieser Situation die schriftliche Bestätigung des Vertrages mit dem Beauftragten verweigert, kann dieser gegen den Unternehmer auf Schadensersatz wegen Vertragsverletzung klagen.

 

Rechtliche Stellung des Handelsvertreters

Auch nach polnischem Recht muss der Handelsvertreter wirtschaftlich selbständig als ein sog. „Wirtschaftssubjekt“ (podmiot gospodarczy) handeln, womit seine Stellung als selbstständiger Unternehmer einem selbstständigen Gewerbetreibenden in Deutschland vergleichbar ist. Er wird damit beauftragt, für einen Unternehmer (Auftraggeber) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen und für dessen Rechnung abzuschließen.

 

Pflichten des Handelsvertreters

Die Hauptpflicht des Handelsvertreters besteht in der aktiven („Bemühungs- und Benachrichtigungspflicht“) und ständigen Vermittlung von Geschäften und – soweit ihm eine entsprechende Abschlussvollmacht erteilt wurde – zu deren Abschluss im Namen des Unternehmers. Der Handelsvertreter verletzt den Vertrag, wenn es sich passiv verhält oder nur gelegentlich tätig wird. Der Unternehmer kann in diesem Fall einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung geltend machen.

Wenn der Unternehmer mit der gelegentlichen Vermittlertätigkeit einverstanden ist, liegen im Zweifelsfall einzelne Auftragsverhältnisse, jedoch kein Handelsvertreterverhältnis vor.

Der Auftragnehmer muß die Vermittlung wegen des dem Vertrag zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses grundsätzlich selbst vornehmen. Die Übertragung an Dritte ist nur zulässig, wenn es vereinbart wurde, üblich ist oder der Auftragnehmer durch besondere Umstände dazu gezwungen wird. In diesem Fall ist er verpflichtet, den Unternehmer unverzüglich über die Person seines Vertreters und seine Anschrift zu unterrichten. Soweit die Unterrichtung erfolgt ist, haftet er nur für die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Auswahl des Vertreters. Soweit der Auftragnehmer für das Handeln seines Vertreters wie für eigenes Verhalten haftet, haftet er neben diesem als Gesamtschuldner.

 

Provisionsanspruch

Die Provision wird in der Regel in Abhängigkeit von der Anzahl oder dem Wert der mit Beteiligung des Handelsvertreters abgeschlossenen Geschäfte vereinbart. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht grundsätzlich für Verträge die zwischen dem Unternehmer und dem Kunden zustande kommen, wenn diese Verträge aufgrund seiner Tätigkeit zu Stande gekommen sind, wobei hier eine Auslegung regelmäßig zu Gunsten des Handelsvertreters erfolgt. Der Anspruch entsteht aber auch dann, wenn dem Handelsvertreter Exklusivität bezüglich einer bestimmten Kundegruppe oder eines geographischen Gebietes zugebilligt wurde und während Vertragslaufzeit auch ohne Beteiligung des Handelsvertreters mit Kunden aus dieser Gruppe oder im betreffenden Bezirk Geschäfte abgeschlossen wurden (unabhängige Bezirks- und Kundenschutzprovision).

Der Provisionsanspruch für Geschäfte, die nach der Auflösung des Handelsvertretervertrages abgeschlossen wurden, besteht fort, soweit der Unternehmer oder der Handelsvertreter das Angebot des Kunden zum Geschäftsabschluss noch während des Vertragsverhältnisses erhalten hatte, oder soweit es zum Abschluss des Geschäftes „überwiegend“ aufgrund der Tätigkeit des Handelsvertreters während des Vertragsverhältnisses und innerhalb eines „vernünftigen“, also angemessenen Zeitraums nach Vertragsauflösung gekommen ist. Die polnischen Regeln hierzu entsprechen damit den deutschen. Soweit im Vertrag nicht anders vereinbart, erwirbt der Handelsvertreter den Provisionsanspruch zu dem Zeitpunkt, in dem der Auftraggeber seine Leistung gemäß dem Vertrag mit dem Kunden hätte erfüllen müssen bzw. tatsächlich erfüllt oder der Kunde seine Leistung erfüllt hat.

Wird der Vertrag zwischen dem Unternehmer in Teilen erfüllt, erwirbt der Handelsvertreter einen Anspruch auf Zahlung der Provision entsprechend dem Fortschritt bei der Durchführung dieses Vertrages.

 

Delkredereprovision

Analog zur deutschen Regelung in § 86 b HGB besteht bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung ein gesonderter Provisionsanspruch des Handelsvertreters für die Übernahme der sog. Delkredere-Haftung. In der vertraglichen Regelung zur Delkredere-Haftung sollte der Umfang dieser Haftung deshalb genau bezeichnet werden. Fehlt eine Regelung zum Haftungsumfang, so hat der Handelsvertreter zwar einen Anspruch auf die vereinbarte Delkredereprovision, haftet aber anderseits für die Erfüllung der Verpflichtung durch den Kunden. Die Regelung zum Haftungsumfang kann einen bestimmten Vertrag oder Verträge mit einem bestimmten Kunden, die vom Handelsvertreter vermittelt oder – bei Vorliegen einer Abschlussvollmacht – im Namen des Auftraggebers abgeschlossen wurden, betreffen.

 

Verjährung

Die Provisionsansprüche verjähren mangels spezieller Regeln gemäß Art. 118 KC in 3 Jahren ab dem Tag der Fälligkeit des Anspruchs.

 

Ersatz von Aufwendungen

Soweit nichts anderes vereinbart wurde, kann der Handelsvertreter die Erstattung seiner begründeten, verkehrsüblichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrages verlangen. Zur Sicherung seines Provisionsanspruchs und seines Anspruchs auf den Ersatz von Aufwendungen begründet Art. 763 ZGB ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht an Sachen und Wertpapieren des Unternehmers, die der Handelsvertreter im Zusammenhang mit dem Vertrag erhalten hatte, und über die er verfügt.

 

Abschlussvollmacht

Abgesehen von dem Auftrag, Geschäfte für den Unternehmer zu vermitteln und anzubahnen, kann dem Handelsvertreter eine Abschlussvollmacht erteilt werden. Diese bedarf zur Wirksamkeit stets der Form des Hauptgeschäftes. Bei Abschluss von Rechtsgeschäften im Namen des Unternehmers, jedoch ohne die dafür erforderliche Vollmacht, haftet der Handelsvertreter selbst, soweit der Unternehmer das Geschäft nicht nachträglich genehmigt. Entgegen der deutschen Regelung in § 91a HGB besteht keine Pflicht des Unternehmens zum sofortigen Widerspruch. Der Einsatz eines Handelsvertreters mit einer Abschlussvollmacht kann das Vorgehen in einem neuen Markt wesentlich beschleunigen. Die Nutzung der Abschlussvollmacht kann jedoch anderseits erhebliche steuerliche Folgen haben. Da der Handelsvertreter in diesem Fall in Polen unmittelbar im Namen des Unternehmers handelt, werden die erzielten Umsätze direkt dem Unternehmer zugerechnet. Dieser begründet dadurch in Polen steuerlich eine Betriebsstätte, so dass die in Polen erzielten Einkünfte dort zu versteuern wären.

 

Fälligkeit des Provisionsanspruchs

Die Hauptpflicht des Auftraggebers besteht in der Provisionszahlung. Der Anspruch auf die Bezahlung der Provision wird mit Ablauf des letzten Tages des auf das Quartal, in dem der Provisionsanspruch erworben wurde, folgenden Monates fällig. Es handelt sich um eine echte Schutzklausel, von der nicht zum Nachteil des Handelsvertreters abgewichen werden kann (Art. 761 § 3 ZGB).

 

Abrechnungspflicht

Die wichtigste Nebenpflicht des Unternehmers ist die Verpflichtung zur regelmäßigen unaufgeforderten Abrechnung gegenüber dem Handelsvertreter (Art. 761 § 1 ZGB). Die Abrechnung muss spätestens innerhalb der Fälligkeitsfrist des Provisionsanspruchs erfolgen (s.o.). Von dieser Regelung darf ebenfalls nicht zum Nachteil des Handelsvertreters abgewichen werden. Darüber hinaus darf der Handelsvertreter zur Überprüfung der Richtigkeit der Provisionszahlung ähnlich wie nach § 87c Abs. 2 HGB einen Buchungsauszug verlangen.

 

Beendigung

Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Vertrag kann abhängig von der Dauer des Handelsvertreterverhältnisses mit Fristen von einem bis zu drei Monaten jeweils zum Monatsende gekündigt werden. Die gesetzlichen Fristen können nicht abgekürzt werden. Bei einer vertraglichen Verlängerung der Kündigungsfrist, darf diese für den Unternehmer nicht kürzer als für den Handelsvertreter sein. n dem Fall, dass der Vertrag insgesamt oder zu einem erheblichen Teil durch eine der Parteien nicht erfüllt wird, oder bei Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ kann gem. Art. 764 ZGB auch ein unbefristeter Vertrag fristlos gekündigt werden.

 

Ausgleichsanspruch

Der Handelsvertreter kann nach Beendigung eines Handelsvertretervertrags gegen den Unternehmer einen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn er während der Vertragslaufzeit neue Kunden geworben oder eine wesentliche Umsatzsteigerung mit den bisherigen Kunden bewirkt hat und der Unternehmer weiter erhebliche Vorteile aus den Verträgen mit diesen Kunden zieht. Ähnlich wie nach den Regelungen im HGB handelt es sich um einen Ersatz für den Verlust von Provisionen für die vom Handelsvertreter angebahnten Geschäfte, auf den Handelsvertreter nach Billigkeitserwägungen und unter Berücksichtigung aller Umstände einen Anspruch hat. Die Bestimmung zur Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs entspricht der Regelung in § 89b Abs. 2 HGB. Entgegen der deutscher Regelung besteht jedoch keine Möglichkeit des Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs für nebenberuflich tätige Handelsvertreter, eine entsprechende Bestimmung im Vertrag wäre unwirksam.

 

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Wie im deutschen Recht können die Parteien ein gegenüber dem Handelsvertreter geltendes Wettbewerbsverbot für die Dauer von höchstens 2 Jahren nach dem Ende des Vertrages vereinbaren. Die Klausel bedarf zur Wirksamkeit der Schriftform. Der Handelsvertreter verpflichtet sich, nach Beendigung des seines Vertrages keine ähnlichen Erzeugnisse wie die vom Vertrag umfassten Waren zu kaufen, zu verkaufen oder zu erzeugen. Das Wettbewerbsverbot darf ausschließlich die Gruppe von Kunden oder Gebiete betreffen, auf die sich auch der Vertrag bezogen hatte.  Im Gegenzug erwirbt der Handelsvertreter für diese Beschränkung seiner künftigen gewerblichen Tätigkeit einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (Art. 764 ZGB). Entsprechend der Regelung im HGB kann der Unternehmer den Handelsvertreter bis zur Beendigung des Handelsvertretervertrags von dem Wettbewerbsverbot befreien. In diesem Fall erlischt die Pflicht zur Zahlung der vorgenannten Entschädigung nach Ablauf von 6 Monaten ab der Befreiungserklärung. Die o.g. Erklärung bedarf zur Wirksamkeit der Schriftform.

 

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