Hannover, 27.05.2021 | Dieses Abkommen wurde nach acht Jahren der Bemühungen am 15. November 2020 unterzeichnet. Fünfzehn Länder sind daran beteiligt: die Mitglieder der ASEAN (Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam), die „ASEAN plus drei“ (China, Japan und Südkorea) und zwei der „ASEAN plus sechs“ (Australien und Neuseeland). Alle zusammen repräsentieren fast 30 Prozent der Weltbevölkerung und des BIP. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Region und die Welt?

RCEP – Das Asien-Pazifik-Abkommen

Eduardo Isaac Soto Barrera,
Abogado (Mexiko) Mag. iur. (Mx), Mag. iur. (D), Hannover


Das Abkommen

Dieses ehrgeizige Abkommen besteht aus 20 Kapiteln, 4 Anhängen und Appendixes. Einige der zu behandelnden Themen sind sehr vielfältig, wie z. B. der Handel mit Waren und Dienstleistungen, das Recht des geistigen Eigentums, Investitionen, Rechtsmittel im Handel und vieles mehr.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass es zwar bereits unterzeichnet, aber noch nicht in Kraft getreten ist. Art. 20.6 besagt, dass es der Ratifizierung, Annahme oder Genehmigung durch die einzelnen Unterzeichnerstaaten gemäß ihren rechtlichen Verfahren bedarf und beim Depositar (Generalsekretär der ASEAN in Art. 20.5) hinterlegt werden muss. Erst wenn mindestens sechs Unterzeichnerstaaten, die Mitglieder der ASEAN sind, und drei Unterzeichnerstaaten, die nicht Mitglieder der ASEAN sind, ihre Ratifizierungs-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegt haben, tritt dieses Abkommen nach 60 Tagen in Kraft, und zwar nur für diejenigen, die die Hinterlegung vorgenommen haben. Für die nachfolgenden Unterzeichnerstaaten tritt das Abkommen ebenfalls nach Ablauf dieser 60 Tage nach der Hinterlegung in Kraft. Es wird davon ausgegangen, dass die Parlamente einiger Länder Schwierigkeiten haben könnten, diesem Abkommen kurzfristig zuzustimmen, hauptsächlich wegen der Abneigung gegen China.

Handel mit Waren

Gemäß Art. 2.4 dieses Abkommens soll jede Vertragspartei ihre Zölle auf Ursprungswaren der anderen senken oder abschaffen und dies in ihrer eigenen Liste der Zollverpflichtungen festschreiben. Das bedeutet, dass jede Unterzeichnerpartei zwei Alternativen hat: die Festlegung allgemeiner Senkungs- oder Abschaffungszölle, die für alle Unterzeichnermitglieder gelten, wenn sie in ihren Ländern in Kraft treten, wie z.B. Japan, Australien, Neuseeland usw.; oder die Schaffung spezifischer Abschnitte zur Regelung des Handels mit bestimmten Parteien, wobei Länder wie China, Südkorea, die Philippinen usw. in diese Kategorie fallen. Es gibt keinen regionalen Markt, bei dem sich alle einig sind, wie hoch die Zölle sein sollten.

Jeder Zeitplan berücksichtigt die Entwicklung dieser Zölle in den nächsten 20 Jahren und darüber hinaus. Interessant ist, dass nur zwei Länder (Neuseeland und Singapur) keinen Produktausschluss für diesen Handel festgelegt haben, was bedeutet, dass alle ihre Produkte, auch wenn sie einen bestimmten Tarif haben, dieser in der Zukunft „geändert“ und reduziert oder sogar eliminiert werden kann, gemäß Art. 20.4. Mit anderen Worten, es gibt keinen Protektionismus, der von beiden gesehen wird.

Es gibt auch eine Erklärung zu Art. 2.6, was unter „Tariff Differentials“ zu verstehen ist. Darunter versteht man die unterschiedliche zolltarifliche Behandlung, die eine einführende Vertragspartei für dieselbe Ursprungsware der ausführenden Vertragspartei anwendet. Diese Vorzugsbehandlung richtet sich grundsätzlich an ein RCEP-Ursprungsland, das die ausführende Vertragspartei nach Art. 2.6.2 und 2.6.3 ist. Allerdings gibt es eine Ausnahme zu Art. 2.6.4. Diese Behandlung wird von Ländern wie China, Indonesien, Japan, Korea, den Philippinen und anderen übernommen. Der interessanteste Fall ist Singapur, denn es ist das einzige Land, das dieses Abkommen unterzeichnet hat und in seiner Liste der Zollverpflichtungen die Zölle auf alle Ursprungswaren ohne Ausnahmen abgeschafft hat.

Ursprungsregeln

Bezüglich des Ursprungs von Waren wurde in Art. 3.2 festgelegt, dass sie als solche behandelt werden, wenn:

  1. a) sie in einer Vertragspartei vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, gemäß Art. 3.3, der sich auf dort geerntete Pflanzen, Früchte, Gemüse usw. bezieht; lebende Tiere, die dort geboren und aufgezogen wurden, wo sich die Vertragspartei befindet; Fischerei, Landwirtschaft, Mineralien usw., die der gleichen Logik folgen, einschließlich Abfall und Schrott mit dem Ziel der Entsorgung, der Rückgewinnung von Rohstoffen oder der Wiederverwertung;
  2. b) die in einer Vertragspartei ausschließlich aus Vormaterialien mit Ursprung in einer oder mehreren Vertragsparteien hergestellt wurden; oder
  3. c) wenn sie unter Verwendung von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft hergestellt worden sind, die produktspezifischen Regeln des Anhangs 3A neben anderen geltenden Anforderungen erfüllen. Dieser Anhang enthält eine Vielzahl von Abkürzungen, wie z. B. RVC40 (regionaler Wertgehalt nicht weniger als 40 Prozent), WO (Wholly obtained) CR (Chemical reaction rule) und andere. Es sind 21 Abschnitte enthalten, die jede Ware erläutern und die als Grundlage für die vorgenannte Anlage dienen.

Streitschlichtung

Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung des RCEP oder über die Nichtübereinstimmung oder Nichterfüllung der in diesem Abkommen festgelegten Verpflichtungen können nach den üblichen Auslegungsregeln des Völkerrechts (Art. 19.3 und 19.4.) beigelegt werden. Das Verfahren wird nur in englischer Sprache geführt (Art. 19.21).

Anhörungen

Art. 19.6 sieht die Möglichkeit vor, dass eine Vertragspartei Konsultationen mit einer anderen Vertragspartei im Zusammenhang mit den vorgenannten Streitigkeiten beantragt. Sie muss das Problem und die Gründe, einschließlich der sachlichen und rechtlichen Grundlage ihrer Beschwerde, angeben. Die antwortende Vertragspartei antwortet spätestens sieben Tage nach Eingang des Ersuchens und nimmt die Konsultationen in der Regel innerhalb von 30 Tagen auf, in dringenden Fällen bei verderblichen Waren innerhalb von 15 Tagen (Artikel 19.6.5 und 19.6.6). Dritte können an den Konsultationen teilnehmen, wenn sie ein wesentliches Handelsinteresse haben, allerdings nur, wenn die Streitparteien dem zustimmen (Art. 19.6.9). Es besteht auch die Möglichkeit der sog. Guten Dienste, Schlichtung oder Mediation (Art. 19.7), wenn die Parteien dem zustimmen.

Gremium

Wenn die Voraussetzungen des Art. 19.8 erfüllt sind (z.B. keine Antwort auf Konsultationen), erfolgt ein Antrag auf Einrichtung eines Panels.

Das Panel besteht aus drei Panelisten, die durch Konsultationen zwischen den Streitparteien benannt werden (Art. 19.11.2 und 19.11.3). Sie müssen u.a. über Fachwissen im internationalen Handel und Recht verfügen (Art. 19.11.10) und werden Entscheidungen im Konsens treffen, wenn dieser erreichbar ist (Art. 19.13.6). Die Entwicklung der Streitigkeit schließt die Möglichkeit ein, die Fakten ihrer Behauptungen schriftlich darzulegen, einschließlich der Argumente und Gegenargumente in Form von Schriftsätzen (Art. 19.13.9). In der Regel erhalten die Parteien die Möglichkeit, ihren Fall dem Panel in Form einer Anhörung vorzutragen (Art. 19.13.10). Das Panel erstellt einen Zwischenbericht innerhalb von 150 Tagen nach dem Feststellungsdatum oder, wenn die Angelegenheit verderbliche Waren betrifft, innerhalb von 90 Tagen (Art. 19.13.14).

Umsetzung

Der vom Panel erstellte Abschlussbericht ist für die Respondierende Partei bindend. Ist die Umsetzung nicht möglich, ist eine angemessene Frist zu setzen. Die Parteien vereinbaren die Länge dieser Frist, wenn möglich, oder der Vorsitzende des Panels tut dies. Als Richtwert sollte diese Zeit 15 Monate ab dem Datum des Abschlussberichts nicht überschreiten (Art. 19.15.3, 19.15.4 und 19.15.6).

Kommt die Beschwerdegegnerin der Aufforderung nicht nach (bereits nach dem Umsetzungsverfahren für den Abschlussbericht nach Art. 19.15), stehen Entschädigung und Aussetzung von Zugeständnissen oder Verpflichtungen zur Verfügung, wenn diese vorübergehend sind (Art. 19.17). Eine Rücknahme dieser Maßnahmen wird in Betracht gezogen, wenn das Verfahren Parteien aus den am wenigsten entwickelten Ländern betrifft (Art. 19.18).

Kritik

Die Streitbeilegung ist von mehreren Kapiteln des Abkommens ausgeschlossen. So gilt es nicht für: Kapitel 5: „Sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen“ (Art. 5.17), Kapitel 6: „Normen, technische Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren“ (Art. 6.14), Kapitel 7: „Handelsbezogene Abhilfemaßnahmen“ und den Anhang 7A zu Antidumping und anderen (Art. 7.16), Kapitel 12: „Elektronischer Handel“ (Art. 12.17.3), Kapitel 13: „Wettbewerb“ (Art. 13.9), Kapitel 14: „Kleine und mittlere Unternehmen“, Kapitel 15: „Wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit“ (Art. 15.7), Kapitel 16: „Öffentliches Beschaffungswesen“ (Art. 16.8), u.a., sowie spezifische Artikel, wie z.B. Maßnahmen gegen Korruption (Art. 17.9) und mehr. Auch wenn einige Länder einige Themen auf lokaler Ebene ansprechen, gibt es immer noch umstrittene Kapitel, die zu berücksichtigen sind.

Eines davon ist Kapitel 6: „Normen, technische Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren“. Das Abkommen scheitert an der Festlegung harmonisierter technischer Vorschriften bezüglich internationaler Normen für alle Mitglieder. In ihrem Art. 6.7 heißt es, dass die Vertragsparteien ihre Gründe darlegen müssen, warum internationale Normen oder relevante Teile davon nicht angewendet werden. Um den Handel zu fördern, müssen auch die anderen Vertragsparteien begründen, warum diese Normen benötigt werden, so als ob sie „verhandeln“ müssten, welche Richtlinien befolgt werden sollen.

Ein weiteres Beispiel ist das Kapitel 12: „Elektronischer Handel“, bei dem es keinen Konsens über einen für alle Mitglieder geltenden Rechtsrahmen gibt, der den Schutz persönlicher Daten in Bezug auf dieses Kapitel gewährleistet. Es gibt sogar eine Ausnahme für Kambodscha, Laos und Myanmar, die fünf Jahre lang nicht verpflichtet sind, dies anzuwenden (Art. 12.8).

Eine letzte befindet sich in Kapitel 8: „Handel mit Dienstleistungen“, bei den Telekommunikationsdiensten und deren Zugang und Nutzung, wo die Länder die notwendigen Maßnahmen ergreifen können, um die Sicherheit der Nachrichten und den Schutz der persönlichen Daten der Endnutzer zu gewährleisten, ohne dass dies willkürlich oder ein Akt der Diskriminierung ist (Anhang 8B Art. 4.4). Dies soll bestimmten Vertragsparteien die Möglichkeit geben, den Zugang zu sozialen Netzwerken in ihren Ländern zu beschränken.

Es gibt aber noch weitere Punkte, die keine kontroverse Rolle spielen, deren Regelungsumfang aber in der Natur des Abkommens begründet ist. Einer davon ist die Frage des geistigen Eigentums und alles, was damit zusammenhängt (Kapitel 11). Im Bereich der Allgemeinheiten werden zwar Grundsätze zur Inländerbehandlung und die Verpflichtung der Vertragsstaaten, eigene Verfahren zur Gewährleistung dieser Rechte zu entwickeln, festgelegt, aber das Abkommen als solches greift in seiner allgemeinen Form verschiedene bereits im TRIPS-Abkommen festgelegte Grundsätze auf. Ebenso fehlt es dem Abschnitt über Urheberrecht und Marken an eindeutigen Kriterien, da er sich nicht auf einen bestimmten Rahmen von Schutzjahren bezieht, wie dies bei anderen Verträgen der Europäischen Union und anderen der Fall ist. Er zielt lediglich darauf ab, dass sich die Länder an verschiedene Verträge halten, aus denen dieser Schutz extrapoliert werden kann, und ist daher nicht grundsätzlich bindend, wenn sich ein Land weigert, dies zu tun.

Bei der Frage der geografischen Angaben hingegen fehlt dem Abkommen der Schutz für bestimmte Produkte: ein Konsens, um auch nur in seiner Grundform eine Liste von Namen festzulegen, die je nach Region, aus der sie stammen, geschützt werden sollen.  Wenn die Mitgliedsländer in ihren Verpflichtungslisten nur Produktbezeichnungen

aufführen, liegt das verständlicherweise daran, dass sie sowohl von ihren Märkten als auch von ihrem eigenen politischen Willen her noch nicht bereit sind, solche Bezeichnungen zu regeln, was sicherlich Teil zukünftiger Diskussionen über eine mögliche Erweiterung dieses Abkommens sein wird.


Fazit

Dieses Abkommen stellt einen großen wirtschaftlichen Deal zwischen sehr unterschiedlichen Volkswirtschaften dar. Es handelt sich nicht um eine totale Integration der Märkte, aber sie streben eine Konsolidierung der ASEAN-Region an, um sie gegenüber der EU und den USA wettbewerbsfähig zu machen. Mittelfristig sind positive wirtschaftliche Veränderungen für alle Mitglieder denkbar, die sich zeigen werden. Die Vision dieses Vertrages kann als erfolgreicher Versuch verstanden werden, mittelfristig Handelsgrundlagen unter allen Teilnehmern des Blocks zu etablieren. Das geopolitische Vakuum, das die USA einst durch ihre eigene Weigerung, alte Verträge in der gleichen Region im Namen des nationalen Protektionismus zu verfolgen, aufgegeben haben, wurde von China genutzt, um seine eigene Handelsagenda zu konsolidieren.

Die Vision dieses Vertrages kann als ein glücklicher Versuch verstanden werden, mittelfristig die kommerziellen Grundlagen zwischen allen Teilnehmern des Blocks zu schaffen.

Einige Prognosen deuten darauf hin, dass die von den Parteien eingegangenen Verpflichtungen zum einseitigen Abbau von Zoll- und Handelshemmnissen zwar schrittweise über einen Zeitraum von zwanzig Jahren erfolgen werden, dass es aber auch möglich ist, bereits vor Ablauf dieser Frist neue Integrationsvereinbarungen zu schließen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Block wirtschaftliche Verbündete mit einbezieht, wie z. B. Indien, das sich bisher zurückgehalten hat, da Chinas wirtschaftliche Vorschläge für bestimmte Produkte auf dem eigenen Markt noch riskant sind, obwohl einige Experten auch andeuten, dass sie einen attraktiveren Gegenvorschlag von den USA erwarten.

Auch wenn die größeren Wirtschaftsakteure wie China, Japan u.a. am meisten von diesem Abkommen zu profitieren scheinen, ist es in Wirklichkeit so, dass die Region selbst intern an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt und für die Welt neue Sektoren der Spezialisierung in der Region umreißt.

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