In Compact

Hannover, 01.04.2022 | Die Folgen der Wirtschaftssanktionen betreffen auch unmittelbar Unternehmen mit Handelsbeziehungen nach Russland. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten geltenden Sanktionsmaßnahmen und zeigt im Anschluss unternehmerische Handlungsschritte auf, wie auf die schwierige Situation reagiert werden kann.

Sanktionen gegen Russland

Ass.iur. Steffen Töhte, Hannover

Der nun seit etwas mehr als einem Monat andauernde Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine beschäftigt die europäische Politik vor allem auch in ökonomischer Hinsicht. Die Europäische Union hat mit einem ganzen Paket an Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland reagiert. Die teilweise sehr weitreichenden und einschneidenden Maßnahmen stellen in ihrem Umfang aber auch in ihrer Intensität ein Novum in der europäischen Außenpolitik dar, deren Reichweite nicht unterschätzt werden sollte. Die englische Fachpresse spricht in Bezug auf die Sanktionsmaßnahmen sogar von einem „financial warfare“, einer ökonomischen Kriegsführung. Die Folgen dieser Wirtschaftssanktionen betreffen aber auch unmittelbar Unternehmen, welche eine Handelsbeziehung nach Russland unterhalten. Ziel dieses Beitrages ist es, einen Überblick über die wichtigsten geltenden Sanktionsmaßnahmen zu verschaffen und im Anschluss unternehmerische Handlungsschritte aufzuzeigen, wie auf die schwierige Situation reagiert werden kann.

 

Finanzen

Eine große mediale Beachtung hat der SWIFT-Ausschluss bestimmter russischer Banken und deren Tochterunternehmen erfahren. SWIFT (=Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ist eine in Belgien ansässige Organisation, die eine Infrastruktur für Finanztransaktionen von Banken bereitstellt. Insgesamt sind etwa 11.000 Banken weltweit an das Netzwerk angeschlossen, es werden täglich etwa fünf Billionen Dollar über SWIFT transferiert. Es handelt sich somit um das global größte und wichtigste Netzwerk für den internationalen Zahlungsverkehr. Indem russische Banken von SWIFT ausgeschlossen wurden, sind Transaktionen nach oder von Russland praktisch kaum noch möglich. In der Vergangenheit kam ein SWIFT-Ausschluss bereits gegenüber dem Iran und Venezuela zum Einsatz, mit zum Teil schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Staaten. Der beschlossene SWIFT-Ausschluss betrifft sieben ausgewählte russische Banken, ausgenommen sind vor allem solche Banken, welche für den Zahlungsverkehr im Energiesektor von Bedeutung sind.

Verboten ist auch die Neuvergabe von Darlehen oder Krediten an bestimmte juristische Personen, welche in die entsprechende Sanktionsliste aufgenommen worden sind. Ausgenommen sind nur solche Darlehen und Kredite, die spezifisch und nachweislich zur Finanzierung nicht verbotener Einfuhren oder Ausfuhren von Gütern und nichtfinanziellen Dienstleistungen bestimmt sind.

Das ökonomisch schlagkräftigste Instrument auf der bisherigen Eskalationsskale dürfte jedoch die Blockade von Transaktionen der russischen Zentralbank im Ausland sein. Sämtliche Vermögenswerte der Zentralbank im Ausland wurden eingefroren. Damit verliert Russland weitgehend Zugriff auf seine Auslandsreserven, welche durch den Rohstoffhandel aufgebaut wurden. Ohne den Zugriff auf diese Fremdwährungen wird der Rubel weiter destabilisiert und entwertet.

 

Warenverkehr

Zwar führen die Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union nicht zu einem Totalembargo, es gelten gleichwohl starke Beschränkungen im Warenverkehr mit Russland. Insbesondere wurden die Ausfuhrbeschränken hinsichtlich bestimmter Dual-Use Güter weiter verschärft, indem die Liste der Güter durch die Verordnung 2022/328 deutlich erweitert wurde. Dual-Use Güter sind solche mit doppeltem Verwendungszweck, sie können also zivil oder militärisch genutzt werden. Bislang musste für Güter, die in der Liste der Dual-Use-Verordnung der Europäischen Union aufgeführt sind, eine Ausfuhrgenehmigung beantragt werden. Die neue Sanktionsverordnung stellt den Export solcher Güter nach Russland nun unter ein generelles Verbot. Unter dieses Verbot fallen neuerdings auch die Erbringung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten oder Finanzhilfen.

Die neu verabschiedete Verordnung der Europäischen Union 2022/328 verbietet daneben den Export von Waren in den Sektoren Luftfahrt, Elektronik, IT, Telekommunikation, Sensortechnik und Schifffahrt. Hierzu enthält die Verordnung in den Anhängen Güterlisten. Damit soll es Russland unter anderem erschwert werden, Ölraffinerien und andere Schlüsselindustrien der russischen Wirtschaft zu modernisieren.

Neu ist ebenfalls das Exportverbot von Luxusgütern nach Russland, vgl. Verordnung 2022/428. Betroffen sind bestimmte gelistete Güter wie z.B. Weine, Uhren, Kunstgegenstände oder Musikinstrumente, wobei jeweils eigene Wertgrenzen gelten. Für die meisten gelisteten Luxusgüter gilt aber eine Wertgrenze von 300 € pro Stück. Unter „Stück“ ist das Gut in der jeweiligen Ausgestaltung zum Gebrauch/Verzehr zu verstehen (z.B. eine Flasche Wein).

Bedeutend für den deutschen Exporthandel nach Russland ist außerdem die Entscheidung der Bundesregierung, Exportgarantien (sog. Hermesdeckungen) und Investitionsgarantien des Bundes für Russland und Belarus bis auf weiteres auszusetzen. Mittlerweile gilt sogar ein EU-weites Verbot von Exportkredit- und Investitionsgarantien für Russland.

Die umfassenden Änderungen im Export sollen aber nicht für den Transithandel gelten. Gemeint sind Warenlieferungen durch Russland in ein anderes Land.

Auch das Zollverfahren ist von den Änderungen betroffen. Laut des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) werden keine Carnet A.T.A.´s mehr für Russland oder Belarus ausgestellt. Ein vereinfachtes Zollverfahren ist somit nicht mehr möglich.

Außerdem führt eine Änderung der Verordnung 2014/833 zu einem umfassenden Importverbot von Eisen- und Stahlerzeugnissen. Dies gilt sowohl für Waren, die ihren Ursprung in Russland haben, als auch für Waren aus Drittstaaten, die aus Russland exportiert werden.

 

Transportsektor

Der EU-Luftraum wird für alle Flugzeuge geschlossen, die sich entweder in russischem Besitz befinden, in Russland registriert sind oder von Russland kontrolliert werden. Dies hat Auswirkungen für deutsche Hersteller in dieser Branche. Ihnen ist verboten, Flugzeuge und Ausrüstung an russische Fluggesellschaften zu exportieren, zu verkaufen, zu liefern oder sonst wie weiterzugeben. Hiervon umfasst werden auch sämtliche damit in Zusammenhang stehende Reparatur-, Wartungs- und Finanzdienstleistungen.

 

Weitere Maßnahmen

Die beschlossenen Sanktionen richten sich nicht nur gegen die Russische Föderation selbst, sondern zusätzlich gegen derzeit 893 Einzelpersonen und 65 Einrichtungen in Russland und im Ausland, die den Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen (Stand: 31.03.2022). Die Vermögenswerte der sanktionierten Personen und Einrichtungen wurden eingefroren, ihnen dürfen auch keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Für Einzelpersonen gilt außerdem ein Einreiseverbot. Die Namen der betroffenen Personen und Organisationen können im Amtsblatt der Europäischen Union eingesehen werden.

Weite Teile der Sanktionen sind auch auf Belarus ausgeweitet worden.

Hinsichtlich der Regionen Donezk und Luhansk besteht ein umfassendes Handelsembargo, Verordnung 2022/263. Waren aus diesen Regionen dürfen grundsätzlich nicht mehr in die Europäische Union eingeführt werden.

 

Verstoß gegen die Sanktionen

Ein Verstoß gegen die EU-Sanktionen stellen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten dar. Rechtsgrundlage hierfür sind §§ 18, 19 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) sowie § 82 Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Den Unternehmen drohen daneben hohe Geldbußen. Vor allem aber laufen sie bei schwerwiegenden Verstößen Gefahr, auch in eine der Sanktionslisten aufgenommen zu werden.

 

Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis

Das hochdynamische Geschehen rund um die bereits verhängten Sanktionen gegen Russland ist komplex und unübersichtlich. Dies befreit betroffene Unternehmen aber keinesfalls davon, sich auf die neue Rechtslage einzustellen und die hierzu erforderlichen Handlungen vorzunehmen. Sämtliche Sanktionsverordnungen der Europäischen Union entfalten ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens unmittelbare Wirkung, ohne dass es hierzu eines deutschen Umsetzungsaktes in nationales Recht bedarf.

Zunächst sollten alle Prozesse im Unternehmen auf mögliche Russland- oder Belarus-Bezüge überprüft werden. Im Fokus müssen dabei zunächst mögliche Geschäftskontakte zu sanktionierten Personen oder Einrichtungen stehen. Dies betrifft sowohl bereits bestehende Geschäftskontakte als auch Neugeschäfte. Hierzu ist es empfehlenswert, bei verdächtigen Geschäftskontakten eine vertiefte Recherche durchzuführen. Bezüglich der europäischen Sanktionsliste ist folgende Website empfehlenswert: https://www.finanz-sanktionsliste.de/fisalis. Dort können die verschiedenen Rechtsakte, welche Sanktionslisten beinhalten, durchsucht werden. Bestehen daneben Geschäftskontakte zu US-amerikanischen Unternehmen sollten zudem die „SDN List“ sowie die „Entity List“ des BIS kontrolliert werden. Sollte ein Geschäftskontakt in einer der Sanktionslisten auftauchen, ist die Handelsbeziehung abzubrechen. Praktisch jeglicher Geschäftskontakt zu sanktionierten Personen ist untersagt. Es bedarf mindestens einer detaillierten Einzelfallprüfung, ob bestimmte Rechtsgeschäfte durchführbar sind.

Für den Export von Waren nach Russland oder Belarus sind die Verschärfungen der Ausfuhrbeschränkungen zu beachten. Einige Sanktionsverordnungen enthalten jedoch sog. Altvertragsklauseln. Dadurch können bereits abgeschlossene Verträge im Einzelfall trotz bestehendem Exportverbot noch erfüllt werden. Voraussetzung dafür ist aber in der Regel, dass der Vertrag vor dem 26.02.2022 geschlossen wurde, es sich um nichtmilitärische Endnutzer handelt und die Transaktion zu nichtmilitärischen Zwecken durchgeführt wird. Ferner muss fristgerecht eine spezielle Genehmigung beim BAFA beantragt werden.

Bereits bestehende Hermesdeckungen sichern Exporteure weiterhin gegen Zahlungsausfälle aus Russland ab. Wenn noch Lieferungen nach Russland ausstehen, sollte der Deckungsnehmer Euler Hermes kontaktiert werden. Bei Sammeldeckungen (APG) besteht für neue Versendungen nach Russland kein Deckungsschutz mehr.

Bestehen Geschäftsbeziehungen zu russischen Banken, die vom SWIFT-Ausschluss betroffen sind, sollte der Zahlungsverkehr eingestellt werden. Existieren sogar eigene Konten bei entsprechenden Banken sollte versucht werden, das Geld zu nicht sanktionierten Banken zu transferieren. In diesem Fall muss die Änderung der Kontoverbindung unbedingt gegenüber allen relevanten Vertragspartnern mitgeteilt werden.

Bezüglich der Regionen Donezk und Luhansk sollten sämtliche Transaktionen eingestellt werden.

Auch die IT-Infrastruktur des Unternehmens muss auf Risiken untersucht werden. Insbesondere russische Software (z.B. „Kaspersky“) ist vor dem Hintergrund von Cyberangriffen kritisch zu betrachten. Aber auch ansonsten meldet das BSI eine deutliche Zunahme von Hackerangriffen im Zuge des Ukrainekonflikts. Hiervon sind auch mittelständische Unternehmen betroffen.

Neben den sanktionsbedingten Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis sind auch faktische Folgen des Kriegsgeschehens in den Blick zu nehmen. Die Sperrungen im Luftraum, unterbrochene Schienenverbindungen – insbesondere nach China -, fehlender Kraftstoff und fehlendes Personal in der Logistik führen zu starken Beeinträchtigungen in den Lieferketten. Hier ist mit Verzögerungen zu rechnen, wobei ein Ende der Lieferengpässe nicht abzusehen ist.

Sollte es durch rechtliche oder tatsächliche Umstände zu Problemen bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten gegenüber russischen Unternehmen kommen muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit rechtlich Ansprüche auf Erfüllung, Anpassung des Vertrages oder Auflösung des Geschäftsbeziehung in Betracht kommen. Dies hängt zu weiten Teilen von den konkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ab. Zu beachten ist aber, dass die Sanktionsverordnungen teilweise selbst Regelungen hierzu enthalten.

 

+++

Sprechen Sie uns an!

Tel: +49 511-30756-0
Oder schreiben Sie uns:

    * Pflichtfeld

    Ich erkläre mich mit der Übertragung meiner Daten über ein gesichertes Formular einverstanden.*