HP COMPACT | im September 2010 |
Philipp Neddermeyer, Rechtsanwalt in Hannover |

Nicht nur im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr ist für Unternehmen die Zusammenarbeit mit Handelsvertretern oftmals gängiges Model. Ein Handelsvertreterverhältnis weist gegenüber vergleichbaren Vertretungsverhältnissen eine Reihe von Vorzügen auf. Handelsvertreter sind als selbständige Gewerbetreibende damit betraut, für das Unternehmen (den so genannten Prinzipal) Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen. Sie handeln somit in fremden Namen und auf fremde Rechnung, tragen jedoch das unternehmerische Risiko allein. Arbeitszeiten sind grundsätzlich frei bestimmbar, ein weiteres Abgrenzungskriterium zum „angestellten Reisenden“. Handelsvertreter kann eine natürliche oder juristische Person sein, also etwa auch eine GmbH.

 

Vertragsfreiheit

Es obliegt allein den Parteien, wie sie ihr Verhältnis vertraglich ausgestalten. Gerade wegen der grundsätzlichen Unabhängigkeit des Handelsvertreters ist es üblich, dass das Unternehmen mit dem Handelsvertreter eine Reihe von Pflichten vereinbart. Doch auch hier ist Vorsicht geboten; eine Überregulierung der Tätigkeit des Handelsvertreters kann schließlich dazu führen, dass der Vertreter seinen Status als selbständiger Gewerbetreibender verliert und als angestellter Reisender gilt. Mit entsprechenden arbeitgeberspezifischen Pflichten des Unternehmens.

Aber auch der selbständige Handelsvertreter ist gegenüber dem Unternehmen keineswegs rechtlos gestellt. Anders als das Vertragshändlerrecht ist das Handelsvertreterrecht in Deutschland mittlerweile umfassend im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt.

Neben dem Vergütungsanspruch durch Provision hat der Handelsvertreter umfangreiche Schutzrechte, selbst wenn diese vertraglich nicht ausdrücklich geregelt sind. Der Ausgleichsanspruch, mit dem der Handelsvertreter eine Kompensation für die Vorteile erhalten kann, die der Unternehmer auch nach Beendigung der Zusammenarbeit durch seine Tätigkeit erhält, ist mittlerweile EU-weit anerkannt und kann etwa auch vertraglich nicht ausgeschlossen werden.

Ein weiterer für die Praxis ganz entscheidender Punkt ist regelmäßig die Frage der Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters und der Frage, welche Konsequenzen aus einer möglicherweise fehlerhaften Wettbewerbsklausel erwachsen können.

 

Mehrfachvertretungen

Es ist für einen Handelsvertreter durchaus üblich, dass dieser die Produkte nicht nur eines Unternehmens vertreibt. Allein aus wirtschaftlichen Gründen bestehen regelmäßig Vertragsbeziehungen zu einer Reihe von Unternehmen. Es muss aber im Interesse eines jeden Herstellers liegen, das ein von ihm beauftragter Handelsvertreter nicht gleichzeitig auch Produkte eines Wettbewerbers vertreibt. Viele Handelsvertreterverträge sehen daher Regelungen vor, nach denen dem Handelsvertreter der Vertrieb von Konkurrenzprodukten während der Vertragslaufzeit untersagt ist.

Eine solche Regelung hat allerdings nur eine klarstellende Funktion, notwendig ist sie nicht. Denn auch wenn es nicht viele Pflichten sind, die den Handelsvertreter auch dann treffen, wenn sie nicht vertraglich vereinbart sind, so gehört das Verbot der Konkurrenztätigkeit doch dazu.

 

Wettbewerbsverbot während der Vertragslaufzeit

Dieses Wettbewerbsverbot ergibt sich aus seiner gesetzlichen Pflicht zur Interessenwahrnehmung. Danach muss der Handelsvertreter bei Ausübung seiner Tätigkeit immer die Interessen des Unternehmens wahrnehmen. Im Gesetz heißt es in § 86 Abs. 1 HGB dazu, dass der Handelsvertreter verpflichtet ist, die Interessen des vertretenen Unternehmens mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. Dazu gehört etwa auch eine ordnungsgemäße Betreuung von Kunden nach Vertragsabschluss Dazu zählt aber auch die Verpflichtung, nicht in Konkurrenz zu seinem Unternehmer zu treten.

Neben der Interessenwahrnehmungspflicht treffen den Handelsvertreter mit der Vermittlungs- und Abschlusspflicht, der Berichtspflicht und der Verschwiegenheitspflicht noch weitere Pflichten. Dabei stellt die Verschwiegenheitspflicht sicher, dass der Handelsvertreter während aber auch nach Beendigung des Handelsvertretervertrages keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verwerten oder an Dritte weitergeben darf.

 

Vertragliche Konkretisierung

Die Parteien können das Wettbewerbsverbot dennoch näher konkretisieren, indem sie es ausweiten oder einschränken. Eine Einschränkung des Verbots wäre es beispielsweise, die Überschneidung in Randbereichen des angebotenen Produktprogramms noch nicht als Wettbewerb zu definieren.

Auslegungsbedürfnis

Auch wenn das Gesetz bereits ein entsprechendes Verbot vorsieht, so kann eine Konkretisierung aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlenswert sein. Haben die Parteien keine Vereinbarung darüber getroffen, was sie unter Wettbewerb verstehen, tritt häufig das Problem auf, welches Produkt im Einzelfall tatsächlich im Wettbewerb zu Produkten des Prinzipals steht. Vielfach haben gerichtliche Die Praxis zeigt, dass nicht einmal Sachverständige diese Frage mit letzter Gewissheit beantworten können. Dies gilt insbesondere im Bereich der Textilindustrie.

So werden heute beispielsweise Sportschuhe, die eigentlich zum Laufen gedacht sind, von Jugendlichen häufig als Straßenschuhe verwandt. Je nach Modetrend werden beispielsweise Hosen, die ursprünglich für das Bergwandern konzipiert waren, auch als Freizeitkleidung genutzt.

 

Unbedenklichkeitserklärung

Es empfiehlt sich daher, dass die Parteien eines Handelsvertretervertragsverhältnisses im Vertrag so exakt wie möglich regeln, was genau sie unter Wettbewerb verstehen. Dem Handelsvertreter ist in jedem Fall dringend anzuraten, vor Übernahme einer weiteren Vertretung ausnahmslos alle anderen von ihm vertretenen Unternehmen zu informieren – und zwar mit genauen Angaben über das Produktprogramm – und sich eine schriftliche Unbedenklichkeitserklärung erteilen zu lassen.

 

Verschiebung der Wettbewerbslage

Problematisch ist es, wenn ein Handelsvertreter mehrere Unternehmen vertritt, die erst im Laufe der Zeit, z.B. durch Erweiterung der Produktpalette, zu Konkurrenten werden, oder wenn die vertragliche Definition der Wettbewerbsprodukte nicht mehr passt, weil sich die Gewichtung verschoben hat und die ursprünglich zum unbedeutenden Randbereich zählenden Produkte für den Unternehmer zu bedeutenden Umsatzträgern geworden sind. Der Unternehmer hat in diesen Fällen das Recht, sich auf die zwingende Regelung des § 86 Abs. 1 HGB zu berufen und den Handelsvertreter aufzufordern, die Wettbewerbsvertretung aufzugeben. Der Handelsvertreter seinerseits kann sich nicht auf die ursprünglich getroffene Vereinbarung berufen, da diese auf Grund der eingetretenen Veränderungen im Hinblick auf die zwingende Regelung des § 86 Abs. 1 HGB für die Zukunft unwirksam ist. In diesem Fall muss allerdings das Unternehmen damit rechnen, dass der Handelsvertreter dem Unternehmer, der die Wettbewerbslage verursacht hat, kündigt ohne dabei seinen Anspruch auf Ausgleich zu verlieren. Grundsätzlich ist es zwar unschädlich, das Wettbewerbsverbot vertraglich ausdrücklich zu fixieren. Allerdings sollte insbesondere das Unternehmen sicher gehen, mit der verwandten Klausel nicht möglicherweise über da hinauszugehen, was rechtlich zulässig ist. Gefahr droht etwa dann, wenn die Frage des Konkurrenzverhältnisses näher beschrieben wird und etwa auch auf branchenfremde Bereiche übergreift.

 

Wettbewerbsverbot nach Vertragsende

Das Unternehmen hat die Möglichkeit, auch nach Beendigung der Vertragslaufzeit für eine gewisse Dauer sicherzustellen, dass der Handelsvertreter für einen Wettbewerber nicht tätig wird. Grundsätzlich besteht nach Beendigung des Handelsvertretervertrages allerdings freier Wettbewerb. Soll für den Handelsvertreter ein „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ gelten, muss dieses zum einen vertraglich ausdrücklich vereinbart werden. Zum anderen sieht § 90 a HGB ausdrücklich Bedingungen für eine solche Vereinbarung vor, u.a. müssen daher die nachfolgend aufgeführten Punkte erfüllt sein. Soweit die Vereinbarung über die vorstehenden Grenzen hinausgeht, ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unwirksam. Da umstritten ist, ob eine zu weit gehende Beschränkung des Handelsvertreters auf das rechtlich zulässige Maß zurückgeführt werden kann oder ob die Vereinbarung dann insgesamt nichtig ist, sollten die Grenzen unbedingt eingehalten werden.

 

Schriftform  

Dieses Erfordernis beschreibt keine Selbstverständlichkeit. Vielmehr sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass auch ein Handelsvertretervertrag wie so viele Verträge bereist mündlich wirksam sind und keiner Schriftform bedürfen. Letztendlich ist dann bei einer Auseinandersetzung die Partei, die Ansprüche geltend macht, regelmäßig Beweisschwierigkeiten.

 

Zeitliche, örtliche und sachliche  Beschränkung 

Ein nachvertragliches Wettbewerbverbots darf höchstens für die Dauer von 2 Jahren ab Beendigung des Handelsvertretervertrages vereinbart werden. Das Verbot darf weiter lediglich Bezug nehmen auf das dem Handelsvertreter während seiner Tätigkeit  zugewiesene Vertriebsgebiet. Schließlich können von dem Verbot nur Tätigkeiten umfasst sein, die auch tatsächlich zur ausgeübten Vertretertätigkeit gehörten

 

Entschädigung

Der Handelsvertreter ist bei der Vereinbarung eines solchen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots angemessen zu entschädigen (so genannte Karenzentschädigung). Die Vereinbarung eines solchen Wettbewerbverbots auch nach Beendigung der Vertragslaufzeit ist für das Unternehmen ein nicht einfach zu kalkulierender Bereich. Unter Umständen kann es daher sinnvoll sein, während der Laufzeit des Vertrages auf das ursprünglich vereinbarte Wettbewerbsverbot zu verzichten, wenn etwa die Umsatzzahlen sich nicht in dem gewünschten Maße entwickeln. Ein solcher einseitiger Verzicht ist wirksam, muss aber soweit er ohne finanzielle Folgen bleiben soll – unter Beachtung entsprechender Fristen erfolgen.

 

Entschädigung zwingend vorgeschrieben

Die Entschädigungspflicht besteht zwingend, d.h. auch ohne ausdrückliche Vereinbarung. Diese sog. Karenzentschädigung hat nichts mit dem bei Vertragsende entstehenden Ausgleichsanspruch zu tun. Sie wird zusätzlich zu diesem geschuldet und soll dem Handelsvertreter den Nachteil ausgleichen, den er erleidet, weil er nicht nahtlos in dem von ihm zuvor bearbeiteten Kundenkreis/Gebiet für einen Konkurrenten tätig werden und seine Kundenkontakte nutzen kann.

 

Entschädigungshöhe

Die Höhe der Entschädigung ist im Gesetz nicht geregelt. § 90 a HGB besagt nur, dass die Entschädigung angemessen sein muss. Was dies heißt, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der nachstehenden Aspekte ermittelt werden: Je weitreichender die Beschränkungen sind, z.B. weil der Handelsvertreter hoch spezialisiert ist, desto höher wird die zu zahlenden Entschädigung sein. In der Regel liegt sie zwischen 50 % und 100 % der vertraglichen Vergütung.

 

Das Verbot in der Unternehmenspraxis

Um ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem Nutzen des Wettbewerbsverbots und dem finanziellen Einsatz herzustellen, empfiehlt es sich für den Unternehmer in der Regel, eine Beschränkung von einem halben bis zu einem Jahr zu vereinbaren. In diesem Zeitraum muss ein Nachfolger in der Lage sein, Kontakte zu den vorhandenen Kunden so zu übernehmen, dass der Vorgänger ihn nicht mehr über das Maß eines normalen Konkurrenten hinaus stören kann.

 

Verzicht

Der Gesetzgeber hat dem Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt, bis zum letzten Tag des Handelsvertretervertragsverhältnisses auf die Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu verzichten. Allerdings wird er erst nach Ablauf von sechs Monaten von der Verpflichtung, eine Entschädigung zu zahlen, frei. Verzichtet der Unternehmer also sechs Monate vor Beendigung des Vertrages, schuldet er dem Vertreter keine Entschädigung. Verzichtet er später, schuldet er dem Vertreter für den Zeitraum der 6-Monats-Frist, die ab Zugang der Erklärung beim Vertreter über das Vertragsende hinausgeht, eine angemessene Entschädigung, ohne dass der Handelsvertreter an das Wettbewerbsverbot gebunden ist. Ist sich der Unternehmer bei Vertragsschluss noch nicht sicher, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirklich notwendig ist, sollte er es in Zweifelsfällen dennoch vereinbaren, muss dann aber unbedingt darauf achten, dass er sich rechtzeitig (am besten 6 Monate) vor Vertragsbeendigung entscheidet.

 

Kündigung bei schuldhaftem Verhalten

Unter Umständen kommt das Wettbewerbsverbot aber trotz Vereinbarung auch ohne Verzicht dann nicht zum Tragen, wenn sich eine der Parteien von der Vereinbarung wirksam lossagt. Dies kann im Fall einer Kündigung aufgrund schuldhaften Verhaltens der Fall sein: Kündigt ein Teil das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des anderen Teils, kann er sich gemäß § 90 a Abs. 3 HGB von der Wettbewerbsabrede lossagen. Die Lossagung muss schriftlich und innerhalb eines Monats nach der Kündigung erfolgen.

 

Fazit

Vertragliche Klauseln zum Verbot der gleichzeitigen Tätigkeit für einen Wettbewerber haben grundsätzlich nur klarstellende Funktion, denn dies ist auch gesetzlich so bestimmt. Gleichzeitig kann so aber deutlich gemacht werden, was die Parteien als Wettbewerber definieren. Höchste Vorsicht hingegen ist bei Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbverbots geboten. Entwickelt sich das Geschäft nicht so wie geplant, ist dann aus Unternehmersicht immer auch an den rechtzeitig erklärten Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zu denken.

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