HP COMPACT  | im Dezember 2011  |
Petra Debring, Rechtsanwältin,
Fachanwältin für Steuerrecht, Hannover |

Nach dem Erbschaftsteuergesetz ist das Betriebsvermögen begünstigt. Dabei kommt es auf die Rechtsform an. Beteiligungen an Personengesellschaften sind stets Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften jedoch nur, wenn der Erblasser oder Schenker zu mehr als 25% unmittelbar beteiligt ist oder eine Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern geschlossen hat (sog. Poolvereinbarung).

 

Überblick

Nach der Gesetzesbegründung soll mit der Neuregelung den Besonderheiten bei Familienkapitalgesellschaften Rechnung getragen werden. Im Gesetz findet sich jedoch dazu kein Hinweis. Die Regelung gilt gleichermaßen für alle Kapitalgesellschaften. Auch müssen zwischen Erblasser bzw. Schenker und den weiteren Gesellschaftern keinerlei familiäre oder verwandtschaftliche Beziehungen vorliegen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit der Zusammenrechnung von Gesellschaftsanteilen aufgrund einer Poolvereinbarung auch bei Publikumsgesellschaften und bei Börsennotierten Kapitalgesellschaften.

Die neue Regelung gilt grundsätzlich für alle Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Außerdem kommt es nicht darauf an, ob die Anteile steuerlich dem Privatvermögen oder dem Betriebsvermögen des Gesellschafters zuzurechnen sind. Anteile, die zum Betriebsvermögen gehören, sind zwar ohnehin unab

hängig von der Beteiligungshöhe begünstigt. Sie können aber gleichwohl in eine Poolvereinbarung einbezogen werden.

Als grundsätzliche Voraussetzungen der Poolvereinbarung müssen die Anteile verschiedener Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zur Erreichung der erforderlichen Mindestbeteiligung zusammengerechnet werden, wenn sie

  • untereinander verpflichtet sind, über Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen (Verfügungsbeschränkung) und
  • das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschafters einheitlich auszuüben (Stimmrechtsbindung).

Die Voraussetzungen müssen im Moment des Übergangs vorliegen, also im Moment des Todes oder der Schenkung.

 

Verfügungsbeschränkung

Die Zusammenrechnung der Gesellschaftsanteile setzt voraus, dass der Erblasser bzw. Schenker und die weiteren Gesellschafter verpflichtet sind, über die Anteile nur „einheitlich zu verfügen“. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, was der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des „Verfügens“ gemeint hat.

Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ist zivilrechtlich geprägt. Deshalb liegt es nahe, den Begriff des Verfügens hier ebenso zu verstehen wie im bürgerlichen Recht. Dort sind Verfügungen Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken durch Übertragung, Aufhebung, Belastung oder inhaltliche Änderung. Dies schließt sämtliche Formen der entgeltlichen und unentgeltlichen Übertragung der Anteile, aber auch andere Verfügungsformen, wie etwa die Bestellung eines Nießbrauchs oder die Verpfändung, ein. Dies erscheint jedoch zu weitgehend.

Der Gesetzgeber verwendet in den Fällen selbst unterschiedliche Formulierungen. Zum einen müssen sich die Gesellschafter verpflichten, über Anteile nur einheitlich zu verfügen. Zum anderen sind sie gefordert, die Anteile nur auf Gesellschafter, die derselben Verpflichtung unterliegen, zu übertragen. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der Verfügung lediglich den Fall der Übertragung gemeint hat. Er wollte sicherstellen, dass die Anteile nicht beliebig veräußert werden können. Dagegen spricht auch die bestehende Praxis bei vielen Familienunternehmen gegen eine umfassende Verfügungsbeschränkung. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung der unternehmerischen Praxis bei Familienunternehmen Rechnung tragen. Dem genügt eine Beschränkung der freien Übertragbarkeit. Weitergehende Verfügungsbeschränkungen würden die Flexibilität von Familienunternehmen in unangemessener Weise beschneiden. Insgesamt kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Beschränkung der freien Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile gemeint ist. Die Vorschrift wird deshalb nach ihrem Normzweck insoweit einschränkend ausgelegt.

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben am 29.10.2010 durch einen gleichlautenden Erlass die Voraussetzungen für begünstigungsfähige Anteile an Kapitalgesellschaften und erbschaftsteuerliche Poolvereinbarungen beschlossen. Danach sind Unterbeteiligungen oder über eine andere Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft gehaltene mittelbare Beteiligungen des Erblassers oder Schenkers selbst nicht begünstigt und bleiben bei der Prüfung seiner Beteiligungshöhe unberücksichtigt, es sei denn, es ist eine Poolvereinbarung geschlossen. Die Verpfändung eines Geschäftsanteils ist somit keine Verfügung im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes. Der Verpfänder bleibt unverändert Gesellschafter der Gesellschaft. Bei Eintritt der Pfandreife kommt es allerdings zur Veräußerung des Gesellschaftsanteils und damit zu einer steuerschädlichen Verfügung.

In einem Artikel im Deutschen AnwaltSpiegel Spezial (Erbschafts- und Schenkungssteuer Verwaltungsanweisung zum neuen Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht 2011) wird der Hinweis gegeben, dass eine Bestellung oder ein Vorbehalt eines Nießbrauchs sowie eine Verpfändung eines Gesellschaftsanteils nach Ansicht der Finanzverwaltung keine Verfügung darstellen.

Für die Übertragung der Gesellschaftsanteile müssen einheitliche Grundsätze gelten. Die Gesellschafter müssen sich untereinander verpflichten, die Anteile nur nach bestimmten Regeln zu übertragen, die für alle Gesellschafter in gleicher Weise gelten. Die Anforderungen an die Einheitlichkeit der Verfügung können dabei unterschiedlich streng oder locker sein. Der Gesetzgeber hat kein Mindestmaß an Einheitlichkeit vorgesehen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die bestehende Praxis der Familienunternehmen.

Es sollte unter Umständen in der Poolvereinbarung auch eine Regelung aufgenommen werden, dass sich die Vereinbarung auf Rechtsnachfolger erstreckt. Bei der Übertragung der Geschäftsanteile auf Dritte sollte der Rechtserwerb des Erwerbers unter der Bedingung des Beitritts zum Poolvertrag gestellt werden.

 

Die Verpflichtung zur Übertragung auf gebundene Anteilseigner

Für die Zusammenrechnung der Anteile liegt die erforderliche Verfügungsbeschränkung auch vor, wenn der Erblasser bzw. Schenker und die weiteren Gesellschafter verpflichtet sind, die Anteile ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen. Zusätzliche Probleme bestehen im Erbfall, wenn der Erwerber der Gesellschaft des Gesellschaftsanteils bislang noch nicht Gesellschafter war und die Nachfolge nicht auch den Eintritt in die Poolvereinbarung umfasst.

 

Stimmrechtsbindung

In der Verfügungsbeschränkung müssen der Erblasser bzw. Schenker und die weiteren Gesellschafter verpflichtet sein, das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben. Hierzu werden keine weiteren Vorgaben gemacht. Daher ist es beispielsweise möglich, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen und eine vertragliche Verpflichtung zur einheitlichen Stimmausübung abzuschließen. Eine Sicherung der Stimmrechtsbindung (z.B. durch Vereinbarung einer angemessenen Vertragsstrafe) ist steuerrechtlich nicht erforderlich, aber zivilrechtlich eventuell anzuraten. Die Stimmbindungsvereinbarung enthält die Verpflichtung der Gesellschafter, ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaft in bestimmter Weise auszuüben. Ein solcher Abschluss von Stimmbindungsverträgen ist gesellschaftsrechtlich zulässig. Dabei wird die Unterscheidung in harte und weiche Stimmbindungsvereinbarungen vorgenommen. Eine harte Stimmrechtsbindung beinhaltet die Erfüllung einer Primärpflicht und ist durch Schadensersatzansprüche strafbewehrt. Ein solcher Erfüllungszwang besteht bei einer weichen Stimmbindung nicht. Das Erbschaftsteuergesetz stellt keine besonderen Anforderungen an die Stimmrechtsbindung. Man kann deshalb davon ausgehen, dass für die Zwecke der Erbschaft und Schenkungsteuer jede Art der Stimmbindung ausreicht. Es empfiehlt sich für die Praxis, auf die tatsächliche Durchführung der Vereinbarung zu achten und ggf. auch geeignete Sanktionen aufzunehmen. Eine nicht durchgeführte Stimmrechtsbindung könnte durch die Finanzverwaltung als eine konkludente Aufhebung gewertet werden mit der Folge der Nachversteuerung. Die Stimmrechtsbindung muss alle Gegenstände der Beschlussfassung beinhalten. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ist deshalb nicht ausreichend, weil in bestimmten Kernbereichen der Mitgliedschaft das Stimmrecht beim Gesellschafter verbleibt. Die Vereinbarung über die Stimmrechtsbindung muss zivilrechtlich wirksam sein und darf nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen. Die Vereinbarung muss auch tatsächlich durchgeführt werden. Eine einheitliche Stimmrechtsausübung wird auch dann angenommen, wenn die Anteile der Gesellschafter stimmrechtslos sind. Die Poolgesellschafter müssen sich gegenüber den nicht gebundenen Gesellschaftern zur einheitlichen Stimmabgabe verpflichten. Gehören ausnahmsweise alle Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dem Pool an, gibt es keine nicht gebundenen Gesellschafter.

Die Poolvereinbarung kann entweder unmittelbar Bestandteil des Gesellschaftsvertrages sein, oder auch gesondert unter den Gesellschaftern abgeschlossen werden. Die Regelung im Gesellschaftsvertrag hat den Vorteil, dass die Vereinbarung für und gegen alle Gesellschafter wirken und damit auch automatisch auf etwaige Rechtsnachfolger der Gesellschafter übergeht. Die Aufnahme der Poolvereinbarung in den Gesellschaftsvertrag hat allerdings den Nachteil, dass sie dann auch von der Publizität des Handelsregisters erfasst wird und damit für jedermann auch ohne berechtigtes Interesse einsehbar ist. Meist werden deshalb entsprechende Poolvereinbarungen in gesonderten Verträgen unter den Gesellschaftern abgeschlossen. Verfügungsbeschränkung und Stimmrechtsbindung müssen nicht notwendigerweise in einem einheitlichen Vertragswerk zusammengefasst sein.

 

Form der Poolvereinbarung

Grundsätzlich ist für die Poolvereinbarung keine besondere Form vorgesehen. Aus Gründen der Nachweisbarkeit sollte die Schriftform jedoch zwingend eingehalten werden. Weitergehende Formvorschriften ergeben sich bei den Geschäftsanteilen einer GmbH. Bei Poolverträgen wird häufig ein Vertrag unter nahen Angehörigen vorliegen. Diese werden steuerlich nur anerkannt, wenn sie auch zivilrechtlich wirksam sind.

 

Kündigung der Poolvereinbarung

Die Vereinbarung kann stets aus wichtigem Grund gekündigt werden. Das Recht zur ordentlichen Kündigung kann ausgeschlossen oder beschränkt werden. Was die Poolvereinbarung angeht, so ist für Zwecke der Erbschaftsteuer entscheidend, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Steuer die Poolvereinbarung wirksam gekündigt worden ist. Das bloße Recht zur jederzeitigen Kündigung ist unschädlich, solange tatsächlich keine Kündigung erfolgt ist. Die Aufhebung der Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbindung innerhalb der Behaltensfrist von 5 bzw. 7 Jahren löst allerdings den Nachsteuertatbestand aus. In der Praxis sollte deshalb das Recht zur ordentlichen Kündigung der Poolvereinbarung so lange ausgeschlossen sein, wie bei einem der Gesellschafter noch eine Nachsteuerfrist läuft. Das Recht zur ordentlichen Kündigung kann ausgeschlossen oder beschränkt werden. Grundsätzlich ist dies für die Zusammenrechnung der Anteile weder erforderlich noch schädlich. Es ist aber entscheidend, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Steuer die Poolvereinbarung wirksam gekündigt ist.

Rechtsfolge der Poolvereinbarung

Es ist erforderlich, dass dem Erblasser bzw. Schenker unmittelbar zuzurechnende Anteile bestehen. Entscheidend ist, dass die Anteile in der Summe die Mindestbeteiligung von mehr als 25% ausmachen.

Bei den Poolvereinbarungen handelt es sich regelmäßig um Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Dabei sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass die Anteile an der Kapitalgesellschaft den einzelnen Poolmitgliedern weiterhin unmittelbar selbst zustehen und insoweit kein Gesamthandseigentum gebildet wird. Dies könnte insoweit steuerschädlich sein, weil dann nur noch eine mittelbare Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bestehen würde.

 

Hinweise zur praktischen Gestaltung

Bestehende Poolvereinbarungen sollten auf die spezifischen Anforderungen des neuen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes hin überprüft werden. Die bisher aus gesellschaftsrechtlichen oder unternehmerischen Gründen geschlossenen Vereinbarungen sind nicht ohne weiteres geeignet, eine Zusammenrechnung für Zwecke des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts auszulösen.

Die Motivation der Poolvereinbarung sollte deutlich gemacht werden. So kann z.B. im Rahmen einer Präambel der Hintergrund, die Interessenlage und die Zielsetzung der Beteiligten dokumentiert werden. Bei den Poolvereinbarungen handelt es sich im Regelfall um Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Dabei sollte klargestellt werden, dass die Gesellschaftsanteile an der Kapitalgesellschaft im Vermögen der Gesellschafter verbleiben und kein Gesamthandsvermögen oder Miteigentum gebildet wird.

Eine entsprechende Fortsetzungsklausel für den Fall, dass die Gesellschaft durch die Kündigung eines Gesellschafters, den Tod eines Gesellschafters oder die Eröffnung einer Insolvenz über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird, erscheint empfehlenswert.

Die Poolvereinbarung sollte schriftlich abgeschlossen werden. Bei einer GmbH ist die notarielle Beurkundung erforderlich.

hp-compact-2011-09-erbschaftsteuerliche-poolvereinbarungen

Sprechen Sie uns an!

Tel: +49 511-30756-0
Oder schreiben Sie uns:

    * Pflichtfeld

    Ich erkläre mich mit der Übertragung meiner Daten über ein gesichertes Formular einverstanden.*