In Compact

Hannover, 16.01.2024 | Das Metaverse eröffnet eine Vielzahl von Betätigungsmöglichkeiten und sozialen Interaktionen und birgt ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Nach einer Analyse von McKinsey & Company könnte das Metaverse bis zum Jahr 2030 einen Wert von bis zu 5 Billionen US-Dollar erreichen. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland betrug im Jahr 2022 rund 3,88 Billionen Euro (etwa 4,1 Billionen Dollar).

Für Unternehmen sind auch industrielle Anwendungen interessant, so etwa im Maschinen- und Anlagenbau und als digitaler Zwilling für Entwicklung, Wartung und Training.

Dieser Beitrag soll eine Übersicht über Konzept und Funktionsweise des Metaverse vermitteln und stellt dazu den allgemeinen Rechtsrahmen vor. Die derzeit diskutierten Rechtsprobleme im Einzelnen erörtert der nächste Beitrag „Metaverse und rechtliche Problembereiche “.

Das Metaverse im Rechtsrahmen (1)

Sara Nesler, Mag. iur. (Torino), LL.M. (Münster)
Antonia Herfurth, LL.M. (Göttingen), Rechtsanwältin in München und Hannover

Was ist das Metaverse?

Der Begriff Metaverse wurde erstmals 1992 in der Dystopie „Snow Crash“ von Neal Stephenson verwendet. Eine konkrete Definition existiert nicht. Es wird jedoch überwiegend eine virtuelle Umgebung gemeint, in der Nutzer durch ihre individuell gestalteten Avatare sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Aktivitäten nachgehen, und mit Inhalten und Gegenständen interagieren, die von einer Vielzahl von Mitwirkenden geschaffen werden und interoperabel sind. Interoperabel heißt, sie sind fähig, mit anderen Systemen möglichst nahtlos zusammenzuarbeiten. Dadurch wird eine Art virtuelle Realität geschaffen. Mit den Worten von Mark Zuckerberg: „Das Metaverse ist ein verkörpertes Internet, in dem man sich befindet, anstatt es nur zu betrachten.“ So können Nutzer im Metaverse dank Virtual Reality- und Augmented Reality-Technologie zum Beispiel in virtuellen Einkaufszentren einkaufen, virtuelle Konzerte besuchen und in einem virtuellen Büro Arbeitskollegen und potenzielle Kunden treffen.

 

Ein Metaverse oder viele Metaverse?

Das Metaverse kann nicht als Ersatz des Internets verstanden werden. Ein Metaverse ist vielmehr eine Internetanwendung, vergleichbar mit einer Website. Aus diesem Grund existieren mehrere Metaverse-Plattformen, die unterschiedliche Funktionen und Besonderheiten aufweisen.

Decentraland und Sandbox gehören zu den etabliertesten Plattformen im engeren Sinne, die die tatsächliche Welt nachbilden und auf Ethereum-Blockchain basieren. Nutzer können die Plattform durch Echtzeit-3D-Technologie und eigene Minispiele mitgestalten, sowie andere Inhalte programmieren und verkaufen. Güter wie virtuelle Grundstücke, Ausstattung und Kleidung für Avatare können anhand der eigenen Währungen MANA und Sand, die in Euro umtauschbar sind, gekauft werden. Andere Plattformen fokussieren sich auf soziale Interaktionen, wie Horizon Worlds von Meta, oder auf die Arbeitswelt, wie Microsoft Mesh von Microsoft, eine immersive mixed-reality Plattform, die als Erweiterung von Microsoft Teams dient und eine Besprechung mit Hologrammen in einem virtuellen Raum erlauben soll. Erfolgreich sind auch spielbasierte Plattformen, wie Fortnite und Roblox. 75 % der Kinder zwischen 9 und 12 Jahren in den USA haben bereits einen Roblox-Account.

Die unterschiedlichen virtuellen Welten könnten jedoch durch Schnittstellen verbunden werden, sodass in der Zukunft ein einheitliches „Metaverse“ existieren könnte. Der Begriff Metaverse wird heute jedenfalls schon verwendet, um das Phänomen allgemein zu beschreiben, jenseits der Merkmale der einzelnen Plattformen.

  

Welches Recht gilt im Metaverse?

Niemand kontrolliert das Metaverse

„Niemand kontrolliert das Metaverse“, lautet eine der (inoffiziellen) Regeln des Metaverse. Denn dieses wurde als offener, dezentralisierter Bereich konzipiert. Das bedeutet aber nicht, dass das Metaverse ein rechtsfreier Raum wäre. Welches Recht im Einzelfall anwendbar ist, ist jedoch eine komplexe Frage.

Wie im Web 2.0 gelten grundsätzlich je nach Konstellation Anknüpfungspunkte wie das Recht des Plattformbetreibers und das Recht des Herkunftslandes des Betroffenen. Anzuwenden sind unter Umständen auch internationale Regelungen wie das UN-Kaufrecht und Regelungen des internationalen Privat- und Strafrechts. Die Übertragung der allgemeinen Regelungen auf die digitale Welt ist dabei mitunter problematisch. Um die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit zu vermeiden, bestimmen die heute existierenden Metaverse-Plattformen das anwendbare Recht in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen.

AGB-Recht der Plattformen

Allgemeine Geschäftsbedingungen werden durch eine Vertragsseite gestellt, hier den Plattformbetreiber. Die andere Seite, sei es ein privater oder geschäftlicher Nutzer, muss diese Bedingungen akzeptieren, um die Plattform nutzen zu können. Während Horizon Worlds irisches Recht, und damit das EU-Verbraucherrecht, und Roblox kalifornisches Recht für anwendbar erklärt, erzwingen andere Plattformen, wie Sandbox, die Anwendung von aus europäischer Sicht exotischen Rechtssystemen wie das von Hongkong. Noch außergewöhnlicher sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Decentraland. Dort soll eine dezentralisierte autonome Organisation (DAO) die Plattform beherrschen. Dadurch sollen die Nutzer über relevante Themen mitentscheiden können. Im Falle eines Rechtsstreits ist ein Schiedsgericht in Panama zuständig. Für Nutzer bedeutet das, obwohl zwingendes Recht, wie das Verbraucherrecht, den AGB des Anbieters vorgeht, wird die Durchsetzung von Ansprüchen in vielen Bereichen erheblich erschwert.

Die Regel „Niemand kontrolliert das Metaverse“ versteckt eine Tücke: Der Kontrolleur ist in erster Linie die Metaverse-Plattform selbst. Dass sich diese gegenüber Nutzern korrekt verhält, kann nicht für selbstverständlich gehalten werden. Auffällig ist zum Beispiel Art. 15 der AGB von Decentraland. Die Plattform räumt sich das Recht ein, ein Konto nach Ermessen des DAOs ohne vorherige Ankündigung und ohne Angabe von Gründen zu sperren. Decentraland ist laut den AGB dabei auch nicht verpflichtet, den Zugriff auf Informationen zu gewähren, die mit dem Konto in Verbindung stehen. Eine solch plötzliche und nicht nachvollziehbare Sperrung hätte für gewerbliche Nutzer eine verheerende Wirkung und dürfte zumindest in der EU gesetzeswidrig sein. Die Aussage, dass alle Entscheidungen bezüglich einer Sperrung durch die DAO getroffen werden, dürfte nicht ausreichen, um den Transparenzerfordernissen des Art. 14 Digital Services Act (DSA) gerecht zu werden. Ob die Vorgaben des Art. 20 DSA bezüglich des internen Beschwerdemanagement-Systems eingehalten werden, ist auch zweifelhaft.


Wer kontrolliert den Kontrolleur?

Unter normalen Umständen verfügen die zuständigen Behörden bei einer Gesetzesverletzung über Anordnungsbefugnisse, können Geldbußen oder Zwangsgelder verhängen oder einstweilige Maßnahmen ergreifen, je nach Struktur der Metaverse-Plattform kann dies jedoch kompliziert sein. Während es sich bei Meta, Microsoft und der Roblox Corporation um Unternehmen im klassischen Sinn handelt, mit einem Sitz und einer Geschäftsführung, nennt sich Decentraland „Foundation“, also Stiftung. Ihr Sitz wird nicht bekannt gegeben und die Identität der Personen in Organen wie dem DAO Committee ist nur durch ihren Benutzernamen (Kyllian, Tobik, RizkGh) bekannt. Hinzu kommt, dass Anteile an der „Foundation“ durch die Verwendung der Ethereum-Blockchain nicht ohne weiteres einer Person rechtlich zugeordnet werden können. Diese mangelnde Transparenz, versteckt hinter dem Vorwand der Unabhängigkeit, würde eine Durchsetzung von Maßnahmen durch eine zuständige Behörde enorm erschweren.

In den letzten Jahren hat die Entwicklung des E-Commerce, verbunden mit der teils schwierigen Beziehung zwischen Plattformen und ihren gewerblichen Nutzern (siehe dazu HP Compact „Handelsplattformen und Wettbewerb“, April 2021), gezeigt, wie wichtig das Eingreifen der zuständigen Behörden sein kann, um den Machtmissbrauch seitens der Plattformen zu begrenzen. So konnte zum Beispiel das deutsche Bundeskartellamt im Jahr 2019 Amazon dazu bringen, seine AGB bezüglich der Kündigung und Sperrung der Konten von Händlern, den Gerichtsstand bei Streitigkeiten sowie den Umgang mit Produktinformationen und viele andere Regelungen zu ändern.

Anders als noch vor einigen Jahren, stehen den Behörden heute unter anderem durch den Digital Markets Act, den Digital Services Act und, in Deutschland auch, Art. 19a GWB wichtige Instrumente zur Verfügung. Unerlässlich ist jedoch, dass die Umsetzung der neuen Gesetze nicht durch die Verankerung von Metaverse-Plattformen in der Blockchain umgangen werden.

Verweigert eine Metaverse-Plattform im Namen der „Unabhängigkeit“ jegliche Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, steht einem Staat als ultima ratio das Recht zu einer vollständigen Sperrung der Plattform zu; ähnlich der Sperrung von Facebook in der Volksrepublik China.

 

Wer ist mein Geschäftspartner?

 Ein weiterer Aspekt, der im Metaverse durch die Verwendung der Blockchain-Technologie und Kryprowährungen immer wieder rechtliche Probleme verursacht, ist die erschwerte Identifizierung der Beteiligten. Denn diese treten oft unter Pseudonymen auf. Die Verfolgbarkeit von Unternehmern beim Abschluss von Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern ist für einen wirksamen Verbraucherschutz unverzichtbar und muss innerhalb der EU durch Online-Plattformen gewährleistet werden (Art. 30 DSA). Metaverse-Plattformen, die diese Regeln nicht einhalten, handeln rechtswidrig.

Für Unternehmen kann aber auch wichtig sein, jenseits von Geschäften des alltäglichen Lebens, wie dem Kauf eines T-Shirts, oder in diesem Fall, eines digitalen T-Shirts für den eigenen Metaverse-Avatar, seinen Geschäftspartner zu kennen. Darüber hinaus müssen Unternehmen, die unter das Geldwäschegesetz fallen, auch im Metaverse zwingend eine Identitätsprüfung nach § 11 Abs. 1 GwG durchführen, unabhängig von der technischen Gestaltung.

Beim herkömmlichen E-Commerce erfolgt die Identifizierung des Vertragspartners selbst bei digitalen Gütern, die nicht an den Verbraucher geliefert werden, in der Regel spätestens mit dem Zahlungsvorgang. Werden aber Kryptowährungen verwendet, trifft das je nach Gestaltung der Plattform nicht mehr zu. Kryptowerte sind, anders als ein Bankkonto, rechtlich keiner Person zugeordnet. Es besteht bloß Verfügungsgewalt durch den Inhaber des Private Keys, vergleichbar mit einem Passwort, das Zugang zu einer sog. Krypto-Wallet gewährt.

Tritt ein Verbraucher im Metaverse als „Kätzchen23“ auf, sind weder seine Identität noch sein Standort bekannt. Damit weiß ein Händler nicht, ob seine AGB wirksam sind und welche Gewährleistungsrechte dem Vertragspartner zustehen. Eine allgemeine Klarnamenpflicht, das heißt, die Verpflichtung zur Nutzung eines Dienstes mit dem eigenen Vor- und Nachnamen, besteht im Metaverse, und im Internet allgemein, nicht. In Deutschland ist eine Klarnamenpflicht im Verhältnis zu anderen Nutzern sogar gesetzlich durch Art. 19 TTDSG ausgeschlossen.

Ob dies auch im Verhältnis zur Plattform selbst gilt, ist noch nicht abschließend entschieden worden. Eine Klarstellung diesbezüglich und eine Verpflichtung der Plattform, die nötigen Daten des Verbrauchers an berechtigte Vertragspartner und an die Behörden weiterzuleiten, ist im Rahmen der Entwicklung und Verbreitung von Metaverse-Plattformen und Kryptowährungen wünschenswert. Alternativ wäre auch die Entwicklung eines dezentralen Identitätsmanagements mit der Möglichkeit einer Identitätsbestätigung denkbar. Die Anonymität gestattet den Nutzern zwar eine große Freiheit, ist aber schwer zu vereinbaren mit den Grundsätzen des Rechtssystems, insbesondere wenn die steuerliche Erfassung und die Feststellung der Identität von Straftätern gehindert werden.

 

Ausblick

Das Recht des Metaverse ist noch in seiner frühen Entwicklungsphase, und es ist derzeit nicht vorhersehbar, welche Grundsätze sich durchsetzen werden. Personen, die in eine Metaverse-Plattform investieren möchten oder Unternehmen, die im Metaverse tätig werden wollen, sollten sich umfassend über die für sie interessanten Plattformen und ihre Nutzungsbedingungen informieren, um rechtliche Fehler zu vermeiden. In dem folgenden Compact „Metaverse und rechtliche Problembereiche (2)“ werden einige Rechtsbereiche vorgestellt, die bedacht werden sollten.

Sprechen Sie uns an!

Tel: +49 511-30756-0
Oder schreiben Sie uns:

    * Pflichtfeld

    Ich erkläre mich mit der Übertragung meiner Daten über ein gesichertes Formular einverstanden.*