HP COMPACT | im Oktober 2020 |

Neues EU-Recht für digitalen Verbraucherschutz

Jan Weber, Juristischer Mitarbeiter, Hannover

Das Digitalzeitalter birgt viele neue Herausforderungen, auch für das europäische Verbraucherschutzrecht. Die EU hat zwei Maßnahmenpakete erlassen, die den Verbraucherschutz stärken und an neue Gegebenheiten anpassen sollen. Gewährleisten soll dies unter anderem die Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (Omnibus-RL) Ab 28. Mai 2022 gelten die neuen Vorschriften.

Im Folgenden wird erörtert, welche Änderungen durch die Omnibus-RL auf Unternehmer und Verbraucher im B2C-Geschäft zukommen werden. Welche Änderungen durch die Digitaldienste-Richtlinie auf Unternehmer und Verbraucher zukommen werden, erörtert das Compact „Neues EU-Recht für Daten und Dienste“, Oktober 2020.

 

Omnibus-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161)

Die Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union wird nicht ohne Grund als Omnibus-Richtlinie bezeichnet. Sie führt zur Änderung von vier europäischen Richtlinien und resultiert in einer (massiven) Verschärfung des Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrechts. Angepasst werden die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (93/13/EWG), die Richtlinie über Preisangaben (98/6/EG), die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) und die Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU). Ziel der Omnibus-RL ist u.a. ein neues vereinheitlichtes Sanktionssystem einzuführen, das vorrangig AGB auf den Prüfstand stellt und sich im besonderen Maße auf den Online-Handel auswirkt.

 

Auswirkungen auf den Online-Handel

Im Folgenden wird eine Auswahl der wichtigsten Änderungen für den Online-Handel dargestellt.

 

Erweiterter Anwendungsbereich der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU)

Durch die Omnibus-RL umfasst der Anwendungsbereich der Verbraucherrechte-RL nun auch Verträge bei denen der Unternehmer dem Verbraucher digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, oder digitale Dienstleistungen bereitstellt bzw. die Bereitstellung verspricht und der

Verbraucher als Gegenleistung personenbezogene Daten zur Verfügung stellt, Art. 3 Abs. 1 lit. a Verbraucherrechte-RL n.F.

 

Angaben zu Preissenkungen

Die Richtlinie verpflichtet Händler bei Bekanntgabe einer Preissenkung zusätzlich zum neuen Preis, den niedrigsten Preis des Produktes innerhalb der letzten 30 Tage anzugeben, Art. 6a Preisangaben-RL n.F.

Vorbeugung gegen „Fake-Reviews“

Künftig trifft Unternehmer eine schärfere Informationspflicht zu Kundenbewertungen: danach müssen sie den Verbraucher darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass die angezeigten Bewertungen nicht computergeneriert sind, sondern von natürlichen Personen stammen, die die Produkte tatsächlich verwendet oder erworben haben (u.a. Anhang I Nr. 23 lit. b und c UGP-RL n.F.)

 

Informationspflicht zum Ranking für Marktplätze

Das oft von Marktplatzbetreibern genutzte Rankingsystem von Produkten muss künftig transparenter werden. Die Betreiber werden verpflichtet offenzulegen, welche Hauptparameter für das angezeigte Ranking des gesuchten Produktes ausschlaggebend sind und wie diese im Verhältnis zu Parametern anderer Produkte stehen (Art. 6a Verbraucherrechte-RL n.F.).

 

Angreifbarkeit der Widerrufsbelehrung

Die geplanten Änderungen zur Pflicht zur Widerrufsbelehrung wirken sich im Wesentlichen auf die Vermarktung von Inhalten aus, die nicht auf einem Datenträger gespeichert sind. Änderungen müssen detailliert angegeben werden, da ansonsten die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sein kann  (u.a. Art. 6 Abs. 4 Verbraucherrechte-RL n.F.).

 

Änderungen betreffend Fernabsatzverträgen

Bei Fernabsatzverträgen ergeben sich künftig Änderungen für die verpflichtenden Kontaktinformationen der Unternehmer (Art. 6a Preisangaben-RL n.F.).

 

Wegfall der Pflicht zur Angabe der Faxnummer

Im Angesicht der Digitalisierung wurde die Faxtechnologie von der EU-Kommission als veraltet deklariert. Infolgedessen entfällt die Pflicht, in der Widerrufsbelehrung und dem Muster-Widerrufsformular, eine Faxnummer anzugeben (ErwGr. 46 Omnibus-RL.).

 

Personalisierter Preis

Neu eingeführt wird eine Informationspflicht des Online-Händlers für auf Verbraucher zugeschnittene Preise. Der Händler muss darüber informieren, ob der Preis auf Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung oder aufgrund der Erstellung von Profilen des Verbraucherverhaltens entstanden ist (Art. 6 Abs. 1 lit. e Verbraucherrechte-RL n.F.).

 

Ausdehnung des Verbots unzulässiger und irreführender Handlungen

Bietet ein Händler innerhalb der EU unterschiedliche Produkte als identische Produkte an, ohne dass dies durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, begeht er nun eine unzulässige und irreführende Handlung  (Art. 6 Abs. 2 lit. c UGP-RL n.F.).

 

Privater oder Gewerblicher Anbieter?

Betreiber von Online-Marktplätzen müssen künftig besser aufzeigen, ob die auf ihrem Marktplatz vertriebenen Produkte von einem privaten oder gewerblichen Anbieter stammen. So soll dem Verbraucher besser erkennbar gemacht werden, von wem er das gewünschte Produkt kauft und welche (Verbraucher-) Rechte ihm zustehen  (Art. 6a Verbraucherrechte-RL n.F.).

 

Geldbußen

Das Ziel der EU, einen stärkeren, europaweiten Verbraucherschutz zu garantieren, resultiert in dem Versuch der Einführung eines einheitlichen Sanktionsrechts mit hohen Bußgeldern.

 

Geldbußen wegen unwirksamer AGB-Klauseln

Bis zum Inkrafttreten der Omnibus-RL am 28. Mai 2022 müssen Händler, die gegen das AGB-Recht verstoßen, lediglich eine Abmahnung von anderen Wettbewerbern und Verbraucherschutzverbänden oder Unterlassungsklagen fürchten. Die Richtlinie sieht jedoch vor, dass bei Verwendung von unwirksamen AGB-Klauseln auch der Staat den Verwender sanktionieren kann. Ein solches Sanktionssystem ist dem deutschen Recht fremd und wird zu einem Systembruch führen. Wie genau ein Fall aussehen muss, damit staatliche Sanktionen greifen, ist noch unklar.

Jedoch nennt die Richtlinie einige Kriterien zur Bestimmung der Höhe des zu verhängenden Bußgeldes. Unter anderem werden in dem neuen Art. 24 Abs. 2 lit. a Verbraucherrechte-RL als Maßstab für Sanktionen die Art, die Schwere, der Umfang und die Dauer des Verstoßes genannt. Als weitere Eingrenzungshilfe schlägt die EU den Mitgliedstaaten vor, die Sanktionierung auf solche Klauseln zu beschränken, die nach nationalem Recht als missbräuchlich anzusehen sind – so wie im deutschen Recht nach § 309 BGB – oder die bereits in einem gerichtlichen Verfahren als unwirksam erachtet worden sind und trotzdem weiterhin von einem Unternehmer genutzt werden. Zudem macht die Omnibus-RL keine Angaben über die Arten der Sanktionen oder Verfahren. Einzige Vorgabe ist, dass die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Damit dies erreicht und das Verbraucherschutzniveau in den Mitgliedstaaten weiter angeglichen wird, nennt die Richtlinie einen Richtwert der zu verhängenden Bußgelder.

Wirkt sich ein Verstoß auf andere Mitgliedstaaten aus, müssen Geldbußen in Höhe von mindestens 4 % des Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens in dem jeweiligen Mitgliedsstaat verhängt werden. Hier kann auch der Konzernumsatz gemeint sein. Werden keine Daten über den Jahresumsatz vorgelegt, darf die Geldbuße nicht unter 2 Millionen Euro liegen. Da es sich hierbei lediglich um verpflichtende Mindestbeträge handelt, können die EU-Staaten auch höhere Bußgelder verhängen. Ob der deutsche Gesetzgeber die vorgegebenen Beträge übernimmt oder diese sogar erhöht und wie die einzelnen Sanktionsvorschriften ausgearbeitet sein werden, ist derzeit noch nicht ersichtlich.

 

Geldbußen bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung

Verwenden derzeit Unternehmer fehlerhafte Widerrufsbelehrungen oder unvollständige Produktbeschreibungen, müssen sie ähnlich zur Verwendung von unwirksamen AGB lediglich Abmahnungen und Unterlassungsklagen fürchten.

Dies soll jedoch nun auch durch die Verhängung von Bußgeldern vermieden werden. Wie dies national umgesetzt werden wird, ist noch nicht bekannt.

 

Geldbußen im Wettbewerbsrecht

Auch die bereits in Deutschland im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) umgesetzte UGP-RL wird durch der Omnibus-RL geändert. Zwar normiert das UWG bereits einige Straf- und Bußgeldvorschriften, dabei handelt es sich jedoch zumeist nur um Ausnahmeregeln, die selten zur Geltung kommen. Unternehmen mussten daher bei Verstößen gegen das UWG primär Schadensersatzansprüche und Unterlassungsklagen fürchten. Das scharfe Schwert der Gewinnabschöpfung zugunsten des Bundeshaushaltes wurde bisher kaum angewendet. Dies soll die Omnibus-RL nun ändern. Weiterhin dürfen die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, wie schwer der Verstoß der verbotenen Geschäftspraktiken sein muss, um in einer Geldbuße zu resultieren. Fest steht jedoch, dass alle Praktiken, die in Anlage I der UGP-RL (sog. Blacklist) genannt werden sowie sonstige verbotene irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken, mit einem Bußgeld sanktioniert werden müssen. Gleiches soll gelten, wenn Gewerbetreibende wiederholt Geschäftspraktiken verwenden, die bereits als unlauter befunden worden sind. Wie bei Verstößen gegen die AGB dürfen dann die Bußgelder nicht unter 2 Millionen Euro bzw. 4 % des Jahresumsatzes liegen.

 

Bußgelder bei unzulässigen Preisangaben

Die Preisangaben-RL hat einen besseren Verbraucherschutz zum Ziel, der durch einheitliche Vorgaben zu Preisangaben für Verbraucherprodukte generiert werden soll. Nun soll ihr Sanktionsbereich durch die Omnibus-RL erweitert werden. Wesentlicher Unterschied zu den bereits genannten Sanktionserweiterungen ist, dass sich die Mitgliedstaaten hier nicht an vorausgesetzten Mindesthöhen von Bußgeldern orientieren müssen. Lediglich die oben genannten Kriterien für die Bestimmung des Bußgeldes in Einzelfällen wurden hinzugefügt. Bereits jetzt können Verstöße gegen die deutsche Preisangabenverordnung eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Ob dieser Betrag im Zuge der Umsetzung der Omnibus-RL durch den deutschen Gesetzgeber angehoben wird, ist derzeit nicht absehbar.

 

Wie reagieren? Handlungsvorschläge für Unternehmer

Die mit der Omnibus-RL einhergehenden Änderungen für Unternehmer scheinen in weiter Ferne zu liegen und vermitteln keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Viele Händler dürften jedoch noch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des neuen Verbraucherschutzrechts im Juni 2014 vor Augen haben, mit dem einige noch heute zu kämpfen haben. Damit sich ähnliches nicht bei Umsetzung der Omnibus-RL wiederholt, sollten sich Unternehmer frühzeitig mit den auf sie zukommenden Änderung befassen. Es müssen weitläufige Anpassungen, sowohl im Außenauftritt des Unternehmens gegenüber Verbrauchern (z.B. Angebots-, Vertrags- und Werbegestaltung) als auch in Bezug auf Geschäftsmodelle, vorgenommen werden. Wen dies unbekümmert lässt, der sollte jedoch spätestens durch die hohen, drohenden Geldbußen aufgeschreckt werden. Es wird Verbrauchern möglich sein, bereits kleinere Verstöße der zuständigen Behörde zu melden, wodurch vermehrt die Gefahr eines Bußgeldverfahrens droht. Ein ähnliches Vorgehen zeigte sich bereits im Rahmen der Umsetzung der DSGVO. Um sich dieser Gefahr und vermeidbaren Geldbußen zu entziehen, sollte bereits jetzt mit der Planung der rechtssicheren Umsetzung der Omnibus-RL begonnen werden.

 

 

Sprechen Sie uns an!

Tel: +49 511-30756-0
Oder schreiben Sie uns:

    * Pflichtfeld

    Ich erkläre mich mit der Übertragung meiner Daten über ein gesichertes Formular einverstanden.*