HP Compact  |  im November 2018  |
Antonia Herfurth, Rechtsassesorin London / München |

Am 29. Mӓrz 2019 verlassen die Briten die Europӓische Union (EU). Zwar gelang es der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) in mehreren Punkten Einigungen zu erzielen; beispielsweise wird es nach dem Brexit eine Übergangsphase geben. Alles in allem sind viele Punkte – und das finale Ergebnis – noch ungeklӓrt. Denn weiterhin ist ungewiss, ob es einen „harten“ oder „weichen“ Brexit geben wird. Gleichwohl sollten Unternehmen bereits jetzt beginnen, sich auf den Austritt der Briten aus der EU vorzubereiten.

Der folgende Beitrag soll Unternehmen für bevorstehende Verӓnderungen sensibilisieren. Darüber hinaus bietet er Lӧsungsansӓtze an. Dabei erhebt er keinesfalls Anspruch auf Vollstӓndigkeit, sondern dient vielmehr als Einführung in die Herausforderung Brexit.

Folgende Brexit-Szenarien sind denkbar:

Quelle: https://bdi.eu/media/publikationen/#/publikation/news/der-brexit-kommt-was-ist-zu-tun/

Der Beitrag geht von einem harten Brexit aus.

 

Warenverkehr und Zertifizierungen

Im Falle eines harten Brexit stellt der Handel mit UK einen Handel mit einem Drittstaat dar, auf den lediglich die allgemeinen Regeln der WTO Anwendung finden (vgl. Tabelle zuvor).

Mit dem Wegfall des freien Warenverkehrs fӓllt auch die Zollunion weg. Neben dem Umstand, dass das Zollrecht der EU sowie nationale und europӓische Kontrollvorschriften für die Ein- und Ausfuhr von Waren beachtet werden müssen, würden künftig auch Zӧlle anfallen. UK hat aber angekündigt, die Auẞenzollsӓtze der EU zu übernehmen. Der EU-Durchschnittszoll betrӓgt 5%. Darüber hinaus müssen Zollanmeldungen und Genehmigungen beantragt werden.

Zudem werden britische Institute nach dem Brexit wahrscheinlich keine in der EU gültigen Konformitӓtsbewertungen mehr vornehmen kӧnnen. In der EU steht die sog. CE-Kennzeichnung (CE steht für Communauté Européenne, Comunidad Europea, Comunidade Europeia und Comunità Europea) dafür, dass ein Produkt die von Brüssel geforderten Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsanforderungen erfüllt. Sobald ein Produkt dieses Kennzeichen trägt, darf es in allen Mitgliedstaaten, also unionsweit, in Verkehr gebracht werden. Die CE-Kennzeichnung ist quasi der „Reisepass des europӓischen Binnenmarktes“. Grundsӓtzlich dürfen die Unternehmen ihre Produkte selbst mit dem CE-Kennzeichen versehen, aber als Grundlage sollten sie die Konformität der Produkte von zugelassenen Prüfinstituten feststellen lassen (beziehungsweise Pflicht für Medizinprodukte). Nach dem Brexit kӧnnen britische Institute diese Funktion wahrscheinlich nicht mehr wahrnehmen. In dem Fall müssten die Prüfung und gegebenenfalls Zertifizierung in einem der verbleibenden Mitgliedstaaten durchgeführt werden.

Welche Partei die zusӓtzlichen Kosten für Prüf- und Zertifizierungsanforderungen zu tragen hat beziehungsweise in welchem Verhӓltnis die Kosten zu tragen sind, sollte, wenn nicht bereits geschehen, vor Vertragsschluss vertraglich geregelt werden.

Außerdem ist zu beachten, dass UK nach dem Austritt aus der EU ein eigenes Regelwerk zu Produktnormen und -standards schaffen kӧnnte. Dies wiederum kӧnnte zu hӧheren Kosten für Vertragspartner führen, da neue Prüf- und Zertifizierungsanforderungen auf sie zukommen würden.

 

Handelsvertrӓge

Eine Überprüfung neuer und laufender Handelsvertrӓge ist essenziell.

Neue Vertrӓge kӧnnen unproblematisch auf die neuen Rahmenbedingungen zugeschnitten werden. Bevorstehenden Zolltarifen kann entgegengetreten werden, indem entsprechende Kündigungs- oder Vertragsanpassungsklauseln aufgenommen werden.

Der Umgang mit bereits laufenden Vertrӓgen gestaltet sich schwieriger. Fragen wie „Nach welchem Recht soll der Vertrag angepasst werden?“, „Wer trӓgt die Kosten anfallender Zӧlle?“ und „In welcher Form erfolgt die Vertragsanpassung?“ bedürfen einerseits einer interessengerechten Klӓrung und kӧnnen andererseits aufgrund der vielen Ungewissheiten, die mit dem Brexit verbunden sind, teils noch gar nicht beantwortet werden. Dennoch und gerade deshalb ist es ratsam, so früh wie mӧglich ergӓnzende Regelungen zu treffen, um für jede Partei die bestmӧgliche Lӧsung auszuarbeiten.

 

Niederlassung von Unternehmen

Nach der Rechtsprechung des EuGHs sind Gesellschaften, die rechtmӓẞig nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates gegründet wurden und ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben, in dem Sitzstaat anzuerkennen. Nach dem Brexit entfӓllt diese Anerkennungspflicht im Verhӓltnis mit UK. Aber gerade britische Gesellschaftsformen sind unionsweit beliebt. In Deutschland sollen im Jahr 2016 etwa 9000 britische Limiteds (private limited company) registriert gewesen sein. Mit Wegfall der Anerkennungspflicht wird eine britische Limited in Deutschland in eine Personengesellschaft ohne beschrӓnkte Haftung umgedeutet – ein Gesellschafter haftet also künftig vollumfӓnglich.

Sollten sich UK und die EU nicht auf einen gegenseitigen Bestandsschutz einigen, sollten Unternehmen Maßnahmen einleiten, um eine solche Umdeutung zu vermeiden.

Mӧchte ein Unternehmen eine Gesellschaft nach britischem Recht gründen beziehungsweise an der Rechtsform Limited festhalten, muss ihr Verwaltungssitz künftig tatsӓchlich in UK liegen. Mӧchte eine Gesellschaft in Deutschland sitzen beziehungsweise ihren Sitz beibehalten, aber eine Umdeutung vermeiden, kommt die Mӧglichkeit einer Verschmelzung der britischen Limited mit einem deutschen Rechtstrӓger wie der GmbH in Betracht. Dabei gehen die Rechte und Pflichten der Limited auf die GmbH über. Die Limited kӧnnte auch einzelne Vermӧgensgegenstӓnde auf eine deutsche Gesellschaft übertragen und anschlieẞend liquidiert werden. Ferner kӧnnte die Limited in eine Europӓische Aktiengesellschaft, SE, umgewandelt werden. Da unklar ist, wie UK künftig die SE behandeln wird, sollte eine SE mit Sitz in UK entweder ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen oder die SE ihre Rechtsform in eine britische Limited oder PLC (public limited company) wechseln. Für bereits bestehende SEs mit Sitz in Deutschland wird sich aus rechtlicher Sicht nichts ӓndern. Denn die Verordnung über das Statut der Europӓischen Gesellschaft unterscheidet zwischen dem „Sitz“ und der „Hauptverwaltung“ einer Gesellschaft. Solange eine Gesellschaft den Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat, ist es für ihren Status unerheblich, ob sich ihre Hauptverwaltung in der EU oder in UK befindet.

Zu beachten ist, dass ein Wechsel der Rechtsform Nachteile mit sich bringt, da er zur Aufdeckung der stillen Reserven führt.

 

Steuern

Der Brexit wirkt sich auch steuerlich aus.

Positiv ist, dass UK über einen geringen Unternehmenssteuersatz verfügt, derzeit 19%, ab dem 01. April 2020 17%. Darüber hinaus hat es ein weites Netz an Doppelbesteuerungsabkommen.

Allerdings ist UK nach dem Austritt nicht mehr Teil des unionsweit harmonisierten Umsatzsteuersystems. Folge dessen ist, dass deutsche Unternehmen in UK mit einer hӧheren Mehrwertsteuer belastet werden. Auẞerdem wird künftig eine (abzugsfӓhige) Einfuhrumsatzsteuer für Importe aus UK fӓllig. Exporte von Deutschland nach UK hingegen sind steuerfreie Ausfuhrlieferungen. Ferner wird es nach dem Brexit vorerst keine grenzüberschreitenden steuerfreien Gewinnausschüttungen geben; es kann also zu zusӓtzlichen (Gewerbe-)Steuerbelastungen kommen. Ebenso sind Dividenden an britische Muttergesellschaften, die zu mindestens 10% an einer deutschen Tochtergesellschaft beteiligt sind, künftig nicht mehr von der Quellensteuer befreit. Folglich ist Kapitalertragssteuer in Deutschland einzubehalten. Darüber hinaus müssen bei der Überführung von Wirtschaftsgütern nach UK deren stille Reserven künftig sofort versteuert werden.

 

Gewerbliche Schutzrechte

Eine weitere durch Brüssel eingeführte Erleichterung ist, dass gewerbliche Schutzrechte, insbesondere Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster, unionsweit angemeldet werden kӧnnen und somit EU-weiten Schutz genieẞen. Nach dem Austritt bedarf es neben der Anmeldung in der EU einer gesonderten Anmeldung in UK, um Marken und Geschmacksmuster auch dort zu schützen. Bereits bestehende Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster sollen als nationale Marken und Geschmacksmuster fortgelten.

Auf das Patentrecht hat der Brexit hingegen keine Auswirkung. Denn bei dem europӓischen Patent handelt es sich um ein Patent, das lediglich zentral beim Europӓischen Patentamt angemeldet wird, aber dieselbe Wirkung wie ein nationales Patent entfaltet. Die Mitgliedschaft in der EU ist also keine Voraussetzung für die Beantragung eines europӓischen Patents.

 

Datenschutz

Gegenwӓrtig finden etwa 75% des grenzüberschreitenden britischen Datenverkehrs mit anderen EU-Mitgliedstaaten statt. Die im Frühling 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung ermӧglicht einen rechtlich problemlosen Datentransfer innerhalb der EU. Im Falle eines harten Brexit wӓre UK ab dessen Austritt ein sog. „unsicherer Drittstaat“ im Sinne des Datenschutzrechts.

Solange UK als solcher gilt, dürfen personenbezogene Daten nur übermittelt werden, wenn die in der Datenschutzgrundverordnung vorgesehenen Bedingungen eingehalten werden. Das wird entweder durch Einwilligung sӓmtlicher betroffener Personen erreicht oder durch Verwendung von EU-Standardvertragsklauseln (verfügbar unter:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=celex%3A32010D0087). Hinzu kommt, dass sich auch in diesem Bereich durch die unterschiedlichen Regulierungen in der EU und UK sowohl der Verwaltungsaufwand als auch die Kosten erhӧhen werden.

 

Verlust der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Neben dem grenzüberschreitenden Handel wird ein weiteres groẞes Feld vom Brexit berührt: die interne Firmenfunktionalitӓt. Denn mit dem Austritt aus der EU verlieren EU-Bürger das Recht auf Freizügigkeit in UK sowie die Briten das Recht in der EU. Noch bis zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2020 genieẞen Arbeitnehmer das Recht zur freien Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes.

Von den Verӓnderungen sind rund 3 Millionen in UK lebende EU-Bürger und rund 1,2 Millionen im EU-Ausland lebende Briten betroffen.Bis zum 30. Juni 2021 müssen sich EU-Arbeitnehmer um eine Aufenthaltsgenehmigung sowie eine Arbeitserlaubnis in UK bemüht haben. EU-Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2020 bereits fünf Jahre in UK gelebt haben, haben einen Anspruch auf einen dauerhaften Aufenthaltitel (settled status). Alle anderen erlangen zunӓchst einen „vorübergehenden“ Aufenthaltsstatus (pre-settled status), der sich sobald sie die Fünfjahresgrenze erreicht haben, in einen dauerhaften Anspruch umwandelt. Darüber hinaus kӧnnen EU-Arbeitnehmer einen britischen Pass beantragen, wenn sie mindestens fünf Jahre in UK gelebt haben.

Briten in der EU trifft es ӓhnlich. Das Beispiel Deutschland zeigt, dass britische Arbeitnehmer zwei Mӧglichkeiten haben, ihre Arbeitstӓtigkeit in Deutschland fortzusetzen: Sie benӧtigen entweder einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstӓtigkeit oder kӧnnen sich einbürgern lassen, also einen deutschen Pass beantragen. Letzteres, wenn sie sich zwischen 3 und 8 Jahre (einzelfallabhӓngig) in Deutschland aufgehalten haben.

Arbeitnehmer, die einen deutschen bzw. britischen Pass beantragen wollen und dabei den britischen bzw. deutschen behalten mӧchten, müssen den Antrag noch vor dem Brexit stellen. Denn hӧchstwahrscheinlich geht mit dem Brexit das Privileg der doppelten Staatsbürgerschaft verloren, das EU-Bürger innehaben.

Als Arbeitgeber sollte man seine Arbeitnehmer an die Hand nehmen und ihnen durch den Brexit helfen. Unternehmen und ihre Arbeitnehmer sollten Seminare besuchen, in denen erklӓrt wird, welche Veränderungen der Brexit für sie bringt und wie sie sich darauf vorbereiten kӧnnen. Die Personalabteilung eines jeden Unternehmens sollte umfassend informiert sein und sich an der Entwicklung einer Brexit-Strategie für das Unternehmen beteiligen.

Als geeignete Brexit-Strategie empfehlen sich fünf Schritte:

  • Sichtung der Personaldaten – Wie lange sind die jeweiligen Arbeitnehmer bereits in UK beziehungsweise in der EU? Bestehen doppelte Staatsangehӧrigkeiten?
  • Absicherung – Halten von Prӓsentationen, den Arbeitnehmern ein offenes Ohr bieten und das Personal in Brexit-Strategien involvieren.
  • Unterstützung – Arbeitnehmern bei Antrӓgen helfen und gegebenenfalls bei der Beantragung eines Passes.
  • Recherche – Durch den Brexit verursachten Personallücken bereits jetzt entgegentreten.
  • Rekrutieren – Neues Personal rechtzeitig einarbeiten, sodass zum Zeitpunkt des Brexits ein weicher Personalübergang stattfindet.

 

Fazit

Ein Unternehmen ist vorerst für den Brexit gewappnet, wenn es die drei wichtigsten Schritte befolgt:

Um den Grad der Betroffenheit und die Grӧße der Herausforderung zu erkennen, sollten sich Unternehmen zu Anfang einen Überblick über ihre Lage verschaffen (Zoll, Marktzugang, Arbeitnehmer usw.). Basierend darauf sollten sie sich gezielt über Ӓnderungen in den betroffenen Bereichen informieren und weitere Entwicklungen mitverfolgen. Abschließend sollten bereits jetzt Maßnahmen ergriffen werden, wobei es besonders empfehlenswert ist, Pakete für mehrere Brexit-Optionen vorzubereiten.

In voller Länge haben wir für Sie das Compact nachfolgend zum kostenlosen Download bereitgestellt.

 

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